31.07.2024
Stellungnahme

Nationale Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III): RFNBO-Quote für die Industrie

Allgemein

Am 20. November 2023 ist die Novelle der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) in Kraft getreten. Ziel der Richtlinie ist es, den Hochlauf erneuerbarer Energien zu beschleunigen und den Einsatz erneuerbarer Energien regulatorisch zu fördern. Die Richtlinie sieht vor, den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch der Union bis zum Jahr 2030 auf mindestens 42,5 Prozent zu erhöhen (Art. 3 Abs. 1 RED III). Diese ambitionierten Vorgaben sind entscheidend, um die Klimaziele der EU für 2030 zu erreichen und den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu unterstützen.

Ein besonderer Schwerpunkt der RED III liegt auf dem verstärkten Einsatz von erneuerbaren Brennstoffen nicht biogenen Ursprungs (Renewable Fuels of Non-Biological Origin, RFNBO ), zu denen grüner Wasserstoff und dessen Derivate zählen. Erstmals wurde in der RED III eine RFNBO-Unterquote im Industriesektor für energetisch und nicht energetisch genutzte RFNBO festgelegt. Bis 2030 soll der Anteil am Energieverbrauch bei 42 Prozent liegen, bis 2035 bei 60 Prozent (Art. 22a Abs. 1 RED III). Die Berechnungsformel für den anteiligen Endenergieverbrauch ist in Art. 22a Abs. 1 lit. a) und b) RED III dargelegt. Ausnahmen gelten für Wasserstoff, der als Nebenprodukt erzeugt oder als Zwischenprodukt in der Kraftstoffherstellung eingesetzt wird sowie für Wasserstoff, der zur Dekarbonisierung industrieller Restgase dient. Die Umsetzung der RED III in nationales Recht muss bis zum 21. Mai 2025 erfolgen.

Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft begrüßt die ambitionierten Ziele der Richtlinie und unterstützt die Bestrebungen zur Emissionsreduktion und Förderung innovativer Technologien zur Dekarbonisierung. Allerdings gibt es aus Sicht der energieintensiven Industrie einige Punkte, die im Zuge der nationalen Umsetzung stärker berücksichtigt werden müssen, um eine erfolgreiche und wirtschaftlich tragfähige Umsetzung zu gewährleisten.

Im Folgenden werden die wichtigsten Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge des Verbandes dargestellt. 

Im Detail

Empfehlungen für die nationale Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie:

Allgemeines zum Wasserstoff-Hochlauf: Die unionsrechtlichen Kriterien und Rahmenbedingungen des Delerierten Rechtsakts zur Erzeugung von grünem Wasserstoff (vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2023/1184) sind im Hinblick auf zeitliche und geografische Korrelation äußerst streng, damit gefährden sie den Wasserstoff-Hochlauf. Ferner stellt sich die Frage, wie künftig mit Wasserstoff-Importen in die EU umgegangen wird. Die kürzlich verabschiedete Wasserstoff-Importstrategie muss deshalb zeitnah praktisch ausgestaltet werden. Um einheitliche Qualitätskriterien im Inland und Ausland zu gewährleisten, müssen transparente und unabhängige Zertifizierungssysteme durch die EU-Kommission zugelassen werden. Der CO₂-Fußabdruck des Wasserstoffs sollte anhand einer allgemein akzeptierten Methode zertifiziert und anerkannt werden. Um den Markthochlauf von Wasserstoff nicht zu gefährden, sollten die Kriterien für den Wasserstoff-Import nicht weiter verschärft werden.

Nationales statt unternehmensbezogenes RFNBO-Ziel: Die RED III sowie die dazugehörigen Delegierten Rechtsakte (u.a. Delegierte Verordnung (EU) 2023/1184) sehen vor, dass die definierten RFNBO-Ziele auf Ebene der Mitgliedsstaaten gelten (vgl. Art. 22a Abs. 1 RED III). Bei der Überführung in nationales Recht sollten branchen- oder gar unternehmensbezogene RFNBO-Quoten vermieden werden, um Nutzungskonflikte zu vermeiden. Unternehmen, die regional benachteiligt sind, könnten aufgrund von externen Faktoren die Quoten nicht erfüllen, da sie in absehbarer Zeit weder an das Wasserstoffkernnetzangeschlossen noch über lokale eigene Elektrolysekapazitäten verfügen werden. Hinzu kommt der Aspekt der Nutzungsrivalität zwischen den Sektoren, die eine unterschiedlich hohe Zahlungsbereitschaft für den begrenzt verfügbaren grünen Wasserstoff aufweisen.

Auswirkungen auf die Ammoniakproduktion: Die RFNBO-Quote kann sich negativ auf die bestehende Ammoniakproduktion in Deutschland auswirken, die bereits heute durch nicht wettbewerbsfähige Energie- und Rohstoffkosten sowie perspektivisch steigende CO₂-Preise existenziell bedroht ist. Da für die Wasserstoffbedarfe der Ammoniakproduktion explizit keine Abzugsmöglichkeiten in der RED III vorgesehen sind, wäre zur Erreichung der RFNBO-Quote langfristig der Aufbau einer neuen Ammoniakproduktion auf Basis von grünem Wasserstoff erforderlich. Ein wirtschaftlicher Betrieb solcher Anlagen ist jedoch aufgrund hoher Investitions- (CAPEX) und Betriebskosten (OPEX) nahezu ausgeschlossen.

Nebenproduktausnahme: Artikel 22a Abs. 1 lit. a) Ziffer iii RED III erlaubt die Ausnahme von „Wasserstoff, der in industriellen Anlagen als Nebenprodukt hergestellt oder aus Nebenprodukten gewonnen wird“. In vielen Anlagen, insbesondere in der chemischen Industrie, wird Wasserstoff als Neben- oder Kuppelprodukt produziert, etwa in Chlor-Alkali-Elektrolysen oder Dampfreformern zur Produktion von Synthesegas (Co-Produktion). Verfahren zur Herstellung von Silanen oder Methionin sind ebenfalls Beispiele hierfür. Da diese Anlagen häufig Bestandteil eines kontinuierlichen Verbundprozesses sind, sollten diese Mengen generell als Nebenprodukte definiert werden und deren Verbräuche nicht für die RFNBO-Quote herangezogen werden, auch wenn diese möglicherweise an Dritte, beispielsweise im Verbund eines Industrie- oder Chemieparks, veräußert werden.

Als Grundlage für die rechtliche Definition des Begriffs „Nebenprodukt“ sollte die Logik des § 4 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) herangezogen werden, der auf Artikel 5 der Waste Framework Directive der EU (Richtlinie 2008/98/EG) basiert:

Fällt demnach „ein Stoff oder Gegenstand bei einem Herstellungsverfahren an, dessen hauptsächlicher Zweck nicht auf die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstandes gerichtet ist, ist er als Nebenprodukt und nicht als Abfall anzusehen.“

Die individuelle Betrachtung des hauptsächlichen Zwecks ist auch bei der Unterscheidung von Haupt- und Nebenproduktwasserstoff in chemischen Prozessen sachgerecht. Im Gegensatz dazu lässt z.B. eine Definition über Mengenverhältnisse bzw. Volumenanteile bei der Produktion keine pauschale Aussage darüber zu, ob es sich bei dem Wasserstoff um ein Haupt- oder Nebenprodukt handelt.

Monitoring: Ein bürokratiearmes Monitoring-System sollte geschaffen werden, das die zusätzlichen Berichtspflichten für Unternehmen auf ein notwendiges Minimum reduziert. Es sollte soweit wie möglich auf bereits bestehende Daten, wie z.B. für die Beantragung der Zuteilung von freien Emissionszertifikaten von Wasserstoffanlagen, zurückgegriffen werden. Anlagen, die z.B. als Synthesegasanlagen (nicht CBAM-Anlagen) klassifiziert und somit unter die Nebenproduktausnahme fallen, sollten im Monitoring nicht berücksichtigt werden. Insgesamt sollte das EU ETS- und REDIII-Reporting/Monitoring weitestgehend harmonisiert werden. Umfangreiche, zusätzliche Auditierungsauflagen sind zu vermeiden.

Bezüglich des einzuführenden Massenbilanzierungssystems nach Artikel 30 Abs. 1 RED III sollte der Bilanzierungszeitraum möglichst großzügig gestaltet werden, um mögliche Lieferengpässe zu Beginn des Hochlaufs auffangen zu können.

Sensible Angaben, die Rückschlüsse auf individuelle Produktionskosten und -mengen zulassen, sollten als Geschäftsgeheimnisse von etwaigen Berichtspflichten ausgenommen und nicht veröffentlicht werden.

Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft unterstützt die Ziele der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, sind jedoch gezielte Maßnahmen und Investitionen notwendig. Die erfolgreiche Umsetzung der Richtlinie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Industrie und Forschung. Durch klare Rahmenbedingungen, finanzielle Unterstützung und innovative Ansätze kann der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft gelingen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen energieintensiven Industrie zu gefährden.

Zusätzlich sollten Revisionen auf EU-Ebene in Betracht gezogen werden, um die Umsetzung zu erleichtern. Dazu gehört, die Revision der Delegierten Rechtsakte RED III vorzuziehen, um die strengen Grünstromkriterien zu lockern oder Übergangsfristen zu verlängern. Weiterhin könnte die RED III durch die zeitweilige Anrechenbarkeit von blauem Wasserstoff bei der Industriequote ergänzt werden. Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft effizienter und praktikabler zu gestalten und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu sichern.

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Anastasiia Woydte
Ansprechpartner

Anastasiia Woydte

Referentin für industrielle Transformation