Die Stromkosten in Deutschland und Europa sind im internationalen Vergleich deutlich zu hoch und tragen zur derzeitigen schlechten Wirtschaftslage und somit zu Produktionsschließungen, Abwanderungen und Stellenabbau bei. Neben den bisher in Aussicht gestellten Entlastungen bei Energiekosten durch einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt zu den Stromnetzentgelten, der dauerhaften Reduktion der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe und der Abschaffung der Gasspeicherumlage, begrüßt der VIK grundsätzlich die von der EU-Kommission geschaffene beihilfekonforme Möglichkeit zur Reduktion des Strom-Commodity-Preises der Industrie durch staatliche finanzielle Mittel.
Die CISAF-Regelung zur Stromkostenentlastung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, welcher einer schnellen Umsetzung bedarf. Dessen ungeachtet sehen wir die Notwendigkeit, den Beihilferahmen so auszugestalten, dass er auch langfristig wirkt und somit Investitionen anreizt. In diesem VIK-Konzeptvorschlag soll aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit zunächst nur die Umsetzung der entsprechenden CISAF-Regelung kommentiert werden.
Damit der Industriestrompreis seine intendierte Entlastungs- und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhende Wirkung entfalten kann, bedarf es einer praxisgerechten nationalen Umsetzung, deren Fokus auf minimalem bürokratischem Aufwand bei maximaler Entlastungswirkung für Industrieunternehmen liegen sollte.
Die Umsetzung eines Industriestrompreises auf nationaler Ebene auf Grundlage des CISAFs sollte auf ein möglichst unkompliziertes und leicht handhabbares Verfahren abzielen. Dabei steht im Vordergrund, die Entlastungseffekte für die Industrieunternehmen zu maximieren, den bestehenden Beihilferahmen bestmöglich auszuschöpfen und auf etwaige einschränkende zusätzliche nationale Auflagen oder Kriterien zu verzichten. Um eine hohe Lenkungswirkung zu erzielen und die Entlastung bereits in die Produktionskosten einkalkulieren zu können, wird eine vorgelagerte (ex-ante) Lösung einer nachgelagerten (ex-post) Auszahlung der Beihilfen vorgezogen. Die geforderten Gegenleistungen sollen aus einem breiten Spektrum gewählt werden können.
Ob ein Unternehmen im Rahmen der CISAF-Regelungen von einer Reduktion der durchschnittlichen jährlichen Großhandelsstrompreise profitieren kann, hängt maßgeblich davon ab, ob die unternehmerische Tätigkeit einer KUEBLL-Branche zugeordnet ist. Diese Voraussetzung erweist sich jedoch insbesondere für Industrieparks als praxisfern: Die Haupttätigkeit des Infrastrukturbetreibers – häufig die Energieversorgung – fällt in der Regel nicht unter die entlastungsfähigen Sektoren der KUEBLL-Liste, obwohl die angesiedelten Unternehmen vielfach sehr wohl beihilfefähige Tätigkeiten ausüben. Da in diesen Industrieparks ein großer Teil der energieintensiven Industrie in Deutschland ansässig ist und die Betreiber zentrale Versorgungsfunktionen (Strom, Dampf, Wärme, Medien) übernehmen, führt die rein formale Sektorenzuordnung zu einer systematischen Benachteiligung dieser Verbundstrukturen im Vergleich zu vollintegrierten Einzelunternehmen. Um eine gleichwertige und diskriminierungsfreie Behandlung sicherzustellen, empfiehlt der VIK daher eine angepasste Auslegung der Kriterien zum Begünstigtenkreis, die auch den besonderen Bedingungen von Industrieparks gerecht wird. Ansonsten wird die politisch intendierte Entlastung der in solchen Industrieparks ansässigen Unternehmen für ihren indirekten Stromverbrauch von Sekundärenergien und Medien verfehlt!
In diesem Zusammenhang sollte der indirekte Stromverbrauch der begünstigten Unternehmen, der durch den Bezug von Sekundärenergien und Medien (etwa Dampf, Wärme, Kälte oder Druckluft) entsteht, diesen Unternehmen zugerechnet und entsprechend berücksichtigt werden. Eine solche Regelung sollte perspektivisch auf alle anderen relevanten Förderinstrumente erweitert werden – darunter SPK, BesAR, BECV sowie die Stromkostenbeihilfe gemäß CISAF. Die praktische Umsetzung könnte z. B. darüber erfolgen, dass der Lieferant die zur Erzeugung von Sekundärenergie und Medien benötigte Strommenge bestätigt. Alternativ – wenn auch aufwendiger – wäre es denkbar, dass das begünstigte Unternehmen dem Lieferanten den benötigten Strom selbst bereitstellt. Entscheidendes Kriterium ist in jedem Fall eine direkte Belieferungsbeziehung zwischen dem Industrieparkbetreiber und dem beihilfeberechtigten Unternehmen.
Stellt ein Industrieparkbetreiber beihilfefähige Grundstoffe wie Industriegase (z. B. Stickstoff oder Wasserstoff) aus eigenen Anlagen her und beliefert damit Unternehmen am Standort, wäre er gemäß Punkt 2 für den dabei anfallenden Stromverbrauch ohnehin förderberechtigt.
Gemäß der Entlastung nach CISAF (Rz. 120) bilden die durchschnittlichen jährlichen Großhandelsstrompreise die Basis für die Entlastungsgrundlage.
Der VIK bevorzugt hier die Heranziehung der durchschnittlichen Baseload-Future-Preise der Vorjahre (z.B. letzten fünf Jahre) für das jeweilige Entlastungsjahr. Diese Vorgehensweise hat zwei grundlegende Vorteile:
Eine ex-post Entlastung ist auf Basis der Future-Preise planbar, wirkt aber dennoch lediglich als nachträgliche Ergebnisverbesserung, durch welche nicht jedes Unternehmen die Entlastungswirkung in die Endproduktpreise einkalkulieren kann. Eine kontinuierliche und direkt Wettbewerbsfähigkeit verbessernde steuernde Wirkung bleibt aus.
Es besteht die Gefahr, dass die unter Randziffer 121 aufgeführten Investitionsverpflichtungen die tatsächliche Entlastungswirkung erheblich reduzieren. Aus diesem Grund sollte auf die Einführung etwaiger zusätzlicher nationaler Anforderungen oder Zugangshürden verzichtet werden und alle genannten anrechnungsfähigen Optionen auch nationale Anwendung finden.[1]
Neben den in Rz. 121 ausdrücklich genannten Investitionsmaßnahmen sollten bspw. auch Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen in die Standorte Berücksichtigung finden, da sie in vielen Fällen zu Effizienzsteigerungen bei Prozessen und im Energieeinsatz führen. Ebenso sind Investitionen in Netzanschlüsse und Baukostenzuschüsse zu berücksichtigen, da sie häufig die Voraussetzung für eine weitergehende Elektrifizierung von Produktionsprozessen bilden. Darüber hinaus sollten Investitionen an den Standorten dem Beihilfeberechtigten zugerechnet werden können, wenn sie zwar durch ein verbundenes Unternehmen getätigt werden, jedoch auch dazu dienen, bspw. die Energieeffizienz oder Flexibilisierung des Beihilfeberechtigten zu stärken. PPAs sollten ebenfalls zu den Erfüllungsoptionen hinzugefügt werden, da durch PPAs der Bau von EE-Anlagen (durch Dritte) angereizt wird.
Ein breiter Handlungsspielraum bei den Gegenleistungen stärkt die Fähigkeit der Unternehmen, ökonomisch sinnvolle Transformationsmaßnahmen eigenverantwortlich umzusetzen. Dabei muss vermieden werden, dass Unternehmen zu unwirtschaftlichen oder nicht zielführenden Maßnahmen verpflichtet werden, die keinen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit oder zu Transformationspfaden leisten. Eine Einschränkung auf einzelne Investitionstypen wäre problematisch.
Damit der Industriestrompreis auf Basis des CISAF seine intendierte wettbewerbsfähigkeitsfördernde Wirkung entfalten kann, schlägt der VIK einen Antrags- und Entlastungsprozess vor, der die Unternehmen ex-ante entlastet:
Sollte es zukünftig zu einer Anpassung der entlastungsberechtigten Sektoren des Industriestrompreises oder der SPK kommen, muss zwangsläufig eine Neubeantragung für Industriestrompreismengen erfolgen. Dies sollte im Kontext der angestrebten Erweiterung der SPK mitbedacht werden.
Längerfristige Perspektive des Industriestrompreises notwendig
Aus Sicht des VIK sollte sich die Bundesregierung nach Umsetzung des derzeitigen CISAF-Rahmens kurzfristig für einen auskömmlichen Beihilferahmen einsetzen, der verlässliche Signale für die Transformation und die internationale Wettbewerbsfähigkeit bei den Stromkosten wieder herstellt. Dabei sollten insbesondere folgende Punkte beachtet werden
In diesem Kontext sollte auch ein mögliches Gegenleistungsspektrum zwischen verschiedenen bestehenden Förderinstrumenten (z. B. SPK, BECV, BesAR) abgestimmt werden, um eine einheitliche und breite Definition für ökologische Gegenleistungen über alle Entlastungsinstrumente hinweg zu schaffen.
[1] Die Erfahrungen mit der Ausgestaltung der Strom- und Gaspreisbremsen in den Jahren 2022 und 2023 haben gezeigt, dass nationale Sonderregelungen in der Praxis oft nicht umsetzbar waren – vor allem aufgrund beihilferechtlicher Restriktionen – und sich somit nur eine geringe Entlastungwirkung bei den Unternehmen entfaltete.
Referent für Energie- und Stromwirtschaft