Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK e.V.) erläutert in dieser Stellungnahme die Problempunkte bei der praktischen Umsetzung der CBAM-Regelungen in der Übergangsphase und betont die Notwendigkeit einer Evaluierung des CBAM, um einen umfassenden Carbon-Leakage-Schutz für die heimische energieintensive Industrie zu ermöglichen.
Die Bewertung des CBAM nach den ersten Monaten der Übergangsphase zeigt: Notwendige Änderungen gibt es einerseits bezüglich der Handhabbarkeit, andererseits mit Blick auf die Schutzwirkung der Wettbewerbsfähigkeit. Bei der Balance für eine praktikable Umsetzung von CBAM bleibt eine Lücke, die den mit dem CBAM einhergehenden Verlust an Carbon-Leakage-Schutz unter dem ETS nicht ausgleichen kann, selbst ohne Berücksichtigung der Export-Problematik. Dies wirkt sich nicht nur auf die Grundstoff-Produzenten, sondern auf die gesamte Wertschöpfungskette aus.
Die Handhabbarkeit des CBAMs muss verbessert werden. Dabei ist auch darauf zu achten, dass Deutschland den Spielraum für Erleichterungen umfassend nutzt, um Verzerrungen innerhalb der EU zu vermeiden. Die Abschaffung der kostenlosen Zuteilung im EU ETS muss bis zur Gewährleistung eines angemessenen Carbon-Leakage-Schutzes zurückgestellt werden. Bis das bestehende CBAM seine Wirksamkeit gezeigt hat, und Umgehungen ausgeschlossen sind, sollte deshalb auf die Einbeziehung weiterer Grundstoffe verzichtet werden. Darüber hinaus sollte die Option einer Rücknahme des CBAM bei Bedarf nicht ausgeschlossen werden.
Minimierung des bürokratischen Aufwands bei der Berichterstattung
Die Einführung der neuen CBAM-Berichtspflichten in der Übergangsphase stellt für die betroffenen Unternehmen erhebliche bürokratische Hürden dar. Da Deutschland erst im Januar dieses Jahres den Zugang zum CBAM-Webportal freigeschaltet hat und mit Blick auf die bisher festgelegte Frist, technische Probleme und unbeantwortete offene Fragen kam es zu Verzögerungen bei der Berichterstattung. Doch auch zukünftig wird die Erstellung des CBAM-Berichts für die Unternehmen mit einem hohen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden sein, erschwerend kommt hinzu, dass auch Angaben zu Gütern mit absolut betrachtet geringen Emissionen, wie z.B. 1 kg Schrauben, gemeldet werden müssen; pro Produkt sind ca. 200 Datenfelder im CBAM-Bericht auszufüllen. Aus unserer Sicht sollte das Berichtsverfahren kurz und möglichst schlank gehalten werden.
Schwellenwerte sollten erhöht werden, da sonst der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen steht
Der Schwellenwert der De-Minimis-Regelung (150 Euro) ist zu niedrig und sollte vom Zollkodex der Union losgelöst definiert werden. Für jede Einfuhr über 150 Euro muss ein CBAM-Report vorbereitet werden. Dies birgt die Gefahr der Steuerhinterziehung für Unternehmen: kleine und mittlere Unternehmen z. B. sind möglicherweise nicht mit den CBAM-Anforderungen vertraut und sind nicht dazu in der Lage, angemessen berichten zu können. Der administrative Aufwand für Unternehmen, die in Euro niedrig bewerteten Importe insgesamt zu identifizieren, ist außerordentlich hoch, während die Menge der eingebetteten Emissionen im Vergleich zu regulären Importen vernachlässigbar ist.
Verwendung von Standardwerten für eingebettete Emissionen von importierten CBAM-Waren muss auch nach dem Berichtszeitraum Q4/23 bis Q2/24 möglich sein
Für den Fall, dass Lieferanten oder Händler in Drittländern den Importeur nicht mit den CBAM-Daten unterstützen, muss es dem Berichterstatter weit über den Berichtszeitraum Q4/23 bis Q2/24 hinaus möglich sein, umfangreiche Vereinfachungen hinsichtlich der zu verwendenden Angaben zu nutzen – z. B. die Verwendung von Standardwerten. Andernfalls können Importeure in non-compliance geraten. Es bedarf daher einer belastbaren Stellungnahme der EU zu den erweiterten Korrekturphasen der Berichte für Q4/2023, Q1 und Q2/2024. Bei wörtlicher Auslegung der Sanktionsregel könnten die Korrekturphasen infrage gestellt werden.
Die eigenständige Berechnung der produktspezifischen grauen Emissionen stellt für die betroffenen Unternehmen eine große Herausforderung dar. Auch die Anforderung von Daten von Zulieferern in Drittländern wird zusätzliche administrative Herausforderungen entlang der Lieferketten mit sich bringen. Daneben verweigern Zulieferer schlichtweg diese Information. Die Verwendung von Standardwerten kann helfen, mögliche Konflikte mit Lieferanten zu vermeiden. Bei erhöhtem Aufwand können Lieferanten in Drittländern die Kosten für die Datenberechnung in Rechnung stellen. Diese Kosten sind, mit Blick auf den aktuell niedrigen Schwellenwert von 150 Euro, höher als die Liefer- oder CO₂-Kosten.
Alternativ wäre es ist wichtig, Regeln für Fälle der Nichtverfügbarkeit von individuellen Lieferdaten zu entwickeln und die Sanktionen entfallen zu lassen, wenn Unternehmen trotz aller Bemühungen keine Daten aus Drittländern erhalten und daher unvollständige CBAM-Berichte liefern. Die Verwendung von Standardwerten wäre für solche Fälle eine Rückfallposition.
Gewährleistung von Carbon-Leakage-Schutz
Durch das Abschmelzen der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten der EU ETS-Anlagen auf der einen Seite und die anwachsende CO₂-Bepreisung von Importwaren andererseits drohen für exportorientierte Unternehmen erhebliche Wettbewerbsnachteile, da die derzeitige Ausgestaltung des CBAM keinen Exportschutz vorsieht . Aus unserer Sicht muss bereits in der Übergangsphase eine WTO-konforme Lösung für Exporte gefunden werden, um für Unternehmen die diesbezüglichen Carbon-Leakage-Risiken zu minimieren.
Wichtig beim Carbon-Leakage-Schutz ist, nicht nur die EU ETS-Anlagen und Produzenten von CBAM-Gütern zu berücksichtigen, sondern ebenfalls die weiterverarbeitenden Unternehmen von CBAM-Waren, die entweder innerhalb der EU hergestellt oder von außerhalb der EU importiert werden.
Die Mehrkosten der CBAM-Waren als Einsatz für den nachgelagerte Fertigungsprozesse lassen sich für Nicht-CBAM-Waren weder beim Export (s. o.) noch innerhalb der EU weitergeben. Es würden Fehlanreize entstehen, CO₂-intensive nachgelagerte Waren wie z.B. Autos, die in Drittländern hergestellt wurden, in die EU zu importieren, weil diese vom CBAM nicht erfasst werden, im Gegensatz zu den weniger CO₂-intensiven Waren aus der EU.
Auch sind Umgehungen für CBAM-Waren durch Deklarieren von Importen als produziert über die CO₂-ärmste Route, z. B. sogenannte Sekundärrouten bei Aluminium oder Stahl, bei gleichzeitigem Mehrverkauf hoch CO₂ intensiver Produkte im eigenen Land und in andere Märkte denkbar.
Für die europäische Industrie bedeutet dies einen Wettbewerbsnachteil durch erhöhte Material-Einsatzkosten und höhere Prozesskosten, sowohl beim Export als auch im Binnenmarkt.
Seniorreferentin für Klimapolitik & Koordinatorin für EU-Energie- und Klimapolitik.