Allgemein
Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) begrüßt grundsätzlich den vorliegenden Gesetzentwurf als wichtigen Schritt für die rechtliche und infrastrukturelle Grundlage eines beschleunigten Wasserstoffhochlaufs in Deutschland. Der Entwurf enthält vielfältige Erleichterungen in Planungs-, Genehmigungs- und Vergabeverfahren, die aus Sicht der energieintensiven Industrie zwingend erforderlich sind, um die nationale und internationale Wasserstoffversorgung rasch auszubauen. Die Verankerung eines überragenden öffentlichen Interesses für Wasserstoffinfrastrukturvorhaben ist ein wichtiges und zu begrüßendes Signal.
Gleichzeitig sieht der VIK punktuellen Nachbesserungsbedarf, um den Hochlauf industriefreundlich, investitionssicher und praxistauglich zu gestalten.
Im Detail
• Planungsrechtliche und verfahrensbezogene Beschleunigung
Die vorgesehene Beschleunigung von Genehmigungs- und Vergabeverfahren ist aus Sicht des VIK grundsätzlich zu begrüßen. Die Gleichstellung mit den Regelungen für EE-Anlagen und Netzinfrastruktur im überragenden öffentlichen Interesse ist konsequent. Positiv hervorzuheben sind:
o Die verbindlichen Fristen für Beteiligung und Entscheidung der Behörden,
o die Konzentration der Genehmigungsverfahren (z. B. BImSchG, WHG),
o sowie die Erleichterung für vorzeitigen Baubeginn.
Kritisch merkt der VIK an, dass die Vielzahl an Einzelfallausnahmen (z. B. § 4 Abs. 2 bei Nutzung von Wasser für Elektrolyseure) potenziell zur Rechtsunsicherheit führen kann. Hier sollte präziser geregelt werden, wann das überragende öffentliche Interesse zurücktritt und wie diese Abwägung konkret zu erfolgen hat.
• Infrastrukturdefinition und systemische Integration
Der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes in § 2 ist weit gefasst und umfasst Elektrolyseure, Speicher, Terminals, Leitungen, Derivateanlagen und Direktleitungen. Dies wird vom VIK ausdrücklich unterstützt, da es der technologischen Breite und dem Infrastrukturbedarf im industriellen Kontext entspricht.
Besonders begrüßt wird die Einbeziehung von LOHC-Systemen und Ammoniak-Splittinganlagen, die für die Importstrategie zentral sind. Auch die explizite Einordnung von Direktleitungen zur Versorgung von Elektrolyseuren mit erneuerbarem Strom stellt eine wichtige Klarstellung im regulatorischen Kontext des EnWG dar.
Jedoch sollten Wasserstoffleitungen, die für Industriecluster konzipiert sind, nicht denselben Regularien wie öffentlich zugängliche Fernleitungsnetze unterliegen. Der Gesetzgeber sollte hier Spielräume für differenzierte Netzstrukturen (z. B. geschlossene Verteilnetze, On-site-Lösungen) bewahren.
Der VIK regt darüber hinaus an, den Geltungsbereich des Gesetzes auch auf die Erzeugung synthetischer Gase – insbesondere synthetisches Methan aus grünem Wasserstoff – zu erweitern, um inländische Produktionspotenziale zu erschließen und die Importabhängigkeit zu reduzieren. Methan wird bislang nur im Zusammenhang mit Biomethan berücksichtigt, die industrielle Methanisierung auf Basis von Wasserstoff bleibt unberücksichtigt.
Zudem weist der VIK auf eine fachliche Unschärfe in § 3 Nr. 3 hin: Dort ist von „Wiederverdampfung von Methanol“ die Rede. Da Methanol unter Standardbedingungen flüssig ist, erscheint diese Formulierung nicht sachgerecht und sollte überarbeitet werden.
Der Gesetzgeber sollte keine detaillierten Vorfestlegungen zum Aggregatszustand der H2-Importe oder für die Anlagen zur Aufspaltung von Ammoniak treffen und zudem auch weitere Anlagen der Wasserstoff-Produktionskette, die zum Hochlauf des Wasserstoffmarktes beitragen, für ein beschleunigtes Verfahren aufnehmen.
Nicht nur Elektrolyseure werden für den Hochlauf von Bedeutung sein, sondern auch weitere Technologien entlang der Wertschöpfungskette: SMR-Anlagen zur Herstellung von blauem Wasserstoff, Methanpyrolyseanlagen oder Chlor-Alkali-Elektrolysen leisten wichtige Beiträge. Der Anwendungsbereich des Gesetzes sollte daher auf Wasserstoffanlagen zur kohlenstoffarmen Erzeugung sowie zur Aufbereitung für hohe Reinheitsgrade (relevant z. B. für die chemische Industrie) erweitert werden.
Aus Sicht des VIK sollte in Artikel 1 des Gesetzes Folgendes angepasst werden:
o Der Begriff „organische“ Wasserstoffträger sollte gestrichen werden; die Bezeichnung „Wasserstoffträger“ ist ausreichend und technologieneutral.
o Die Begriffe „flüssigen“, „flüssiger“ oder „verflüssigtem“ in § 2 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 7 sowie in § 3 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 6 und Nr. 11 WassBG-E sollten im Sinne der Offenheit für zukünftige Entwicklungen gestrichen werden.
o In § 3 Nr. 5 WassBG-E sollten die Worte „unter Wärmezufuhr und Nutzung eines Katalysators“ gestrichen werden, um technologieoffene Lösungen zur Ammoniakaufspaltung nicht vorab auszuschließen.
Zudem regt der VIK an, folgende Anlagen explizit in den Anwendungsbereich des Gesetzes aufzunehmen:
o SMR-Anlagen zur Herstellung von blauem Wasserstoff,
o Methanpyrolyseanlagen,
o Chlor-Alkali-Elektrolysen mit kohlenstoffarmem oder erneuerbarem Nebenproduktwasserstoff,
o Anlagen zur Aufreinigung von Wasserstoff zur Erreichung hoher Reinheitsgrade (>99,9 %) für stoffliche Nutzung in der chemischen Industrie.
• Europarechtliche Einbettung und Erzeugungskriterien
§ 3 Nr. 7 verweist auf die Definitionen aus der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU) 2023/2413 sowie auf die delegierten Rechtsakte, insbesondere (EU) 2023/1184. Der VIK weist darauf hin, dass die dort festgelegten Kriterien zur Herstellung von grünem Wasserstoff (z. B. Zusätzlichkeit, zeitliche Korrelation, geografische Nähe) in ihrer aktuellen Ausgestaltung erhebliche Marktzugangsbarrieren schaffen.
Diese Anforderungen bergen das Risiko, Investitionen in Elektrolyseure unnötig zu erschweren oder zu verzögern. Der VIK empfiehlt daher, dass sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene aktiv für eine pragmatische Weiterentwicklung der Kriterien einsetzt und insbesondere auf eine vorzeitige Vorlage des in Art. 27 Abs. 6 UAbs. 4 der Richtlinie vorgesehenen Kommissionsberichts drängt.
• Absicherung und Finanzierung: Fehlende Mechanismen
Ein zentrales Defizit des Entwurfs aus Sicht des VIK ist das Fehlen jeglicher Absicherungs- oder De-Risking-Instrumente für Investitionen in Infrastruktur. Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft ist mit erheblichen Vorleistungskosten für Unternehmen verbunden. Ohne staatliche Unterstützung (z. B. ähnlich der Bundesgarantien für das H2-Kernnetz oder Transformationsstrompreise) besteht die Gefahr, dass Investitionen ausbleiben oder verzögert werden.
Der Referentenentwurf zur Beschleunigung für den Ausbau der H2-Infrastruktur ist ein sehr wichtiger Schritt hin zur Entbürokratisierung. Der zentrale Hebel für den Wasserstoffhochlauf fehlt jedoch: H2-Lieferanten erwarten Ausfallgarantien in Milliardenhöhe, die Stahlhersteller aufgrund ihrer Bonität nicht leisten können.
Eine staatliche Risikoabsicherung über das etablierte Doppelauktionsmodell von H2Global/Hintco kann dieses Marktversagen beheben. Dafür müssen im Klima- und Transformationsfonds 2026 mindestens 1 Milliarde Euro (Laufzeit 10 Jahre) für branchenspezifische Auktionen bereitgestellt werden. Nur so lassen sich großvolumige H2-Verträge abschließen, Investitionen auslösen und Wasserstofflieferungen für die klimaneutrale Stahlproduktion sichern.
Der VIK regt an, zumindest eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für finanzielle Förderinstrumente aufzunehmen oder auf bestehende Programme systematisch Bezug zu nehmen.
• Untergrundspeicherung und natürlicher Wasserstoff
Die Erweiterung des Bundesberggesetzes um Wasserstoff als bergfreien Bodenschatz ist sachgerecht und unterstützenswert. Damit wird Investoren erstmals ein klarer Rahmen für Exploration natürlicher Wasserstoffvorkommen in Deutschland gegeben.
Wichtig ist jedoch, eine klare Abgrenzung zwischen natürlichem und synthetischem Wasserstoff im Speicherkontext zu bewahren. Gleiches gilt für das sogenannte Kissengas in Speicherinfrastrukturen: Die Regelungen sollten technologieoffen und rechtssicher ausgestaltet werden.
Der VIK begrüßt den vorliegenden Entwurf in seiner Zielrichtung und unterstützt die Intention, Planungs- und Genehmigungsprozesse für Wasserstoffinfrastruktur zu beschleunigen. Entscheidend ist nun, dass aus dem Anspruch auch praxistaugliche, investitionsfreundliche und rechtssichere Regelungen folgen. Hierzu sind vor allem die Themen Überregulierung, fehlende Absicherungsmechanismen, technische Ausgestaltung von Speicher- und Netzkomponenten sowie die europarechtliche Abstimmbarkeit bei den Erzeugungskriterien weiter zu präzisieren.
Seniorreferentin für industrielle Transformation