Aktuell kommt ein FÖS-Gutachten*, unter Missachtung verschiedener Strommarktfakten, zu dem falschen Schluss, das Preisniveau des Industriestromes in Deutschland könnte die Wettbewerbssituation deutscher Unternehmen stärken. Ein für die weitere Umsetzung der Energiewende schädliches Ergebnis, so der VIK, die Interessenvertretung der industriellen und gewerblichen Energiekunden, denn die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie – unserer Stütze von Wohlstand und Arbeitsplätzen –ist elementare Voraussetzung für das Gelingen des Megaprojektes Energiewende.
Das aktuelle Gutachten vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion vermittelt den Eindruck aktuell in Deutschland gesunkener Industriestrompreise. Als Grundlage für diese Einschätzung zieht das FÖS allerdings die Entwicklung der Spotmarktpreise an der Strombörse heran. Dabei sollte jedem sachkundigen Marktbeobachter klar sein: die Terminmarktpreise und nicht die kurzfristigen Spotmarktpreise sind für die Unternehmen relevant. Vergleiche dieser Märkte unterstreichen die jeweils sehr unterschiedliche Strompreisentwicklung. Zudem machen sie die geringe Bedeutung des Spotmarktes im Stromeinkauf anhand der Handelsmengen deutlich. Am Terminmarkt wird eine etwa 14-mal größere Menge gehandelt als am Spotmarkt. Die beiden Märkte reagieren zudem sehr unterschiedlich auf die Einflüsse der Erneuerbaren: die am Spotmarkt tatsächlich auftretenden kurzfristigen Preissenkungen, begründet durch ein partielles Überangebot an Strom aus erneuerbaren Energien (bei viel Sonne und Wind), führen am Terminmarkt – dem Markt, der die Zukunftserwartungen widerspiegelt – eher zu Preissteigerungserwartungen, da die finanziellen Spielräume für zusätzlich nötige Kraftwerke so immer enger werden und mit einer Knappheit an Erzeugungskapazität oder Zusatzkosten für gegensteuernde Kapazitätsmechanismen gerechnet werden muss.
Zudem wird im FÖS-Gutachten die Strompreisentwicklung im Zeitraum 2008 bis 2011 betrachtet. Dem Zeitraum, seit dem Ende der überhitzen Hochkonjunktur der Weltwirtschaft und der – mit einem Strompreisabsturz verbundenen – anschließenden andauernden Krisensituation. Zieht man andere, besser vergleichbare Zeitpunke heran, so zeigt sich ein anderes Bild: Seit 2002 hat sich der deutsche Industriestrompreis im Mittel um 4 Prozent jährlich erhöht, so zeigt es z.B. der monatlich ermittelte VIK-Strompreisindex, der seit dem Start im Jahr 2002 um 49 Prozentpunkte gestiegen ist.
Gefährlich verzerrend ist auch die vom FÖS-Gutachten ausgehende falsche Botschaft, in Frankreich seien die Strompreise für die Unternehmen höher als in Deutschland. Die dafür als Beleg herangezogenen dortigen Börsenpreise sind für die Industrie ohne Relevanz. Die Unternehmen kaufen Strom dort nach staatlich festgelegten Tarifen. So ist auch die Aktivität an der Strombörse für Frankreich sehr gering: Bild 1 zeigt das Verhältnis der an der deutschen und französischen Strombörse gehandelten Strommengen und macht deutlich: in Frankreich werden lediglich Restmengen (4 Prozent des deutschen Handelsvolumens) über diesen Weg gehandelt.
Zudem werden die über den Binnenmarkt eng miteinander verbundenen Strommärkte der EU im FÖS-Gutachten isoliert betrachtet. Tatsächlich ist das nicht der Fall. Die Preise sind vielfach miteinander verwoben und unterscheiden sich in ihrer Höhe beim Industriekunden eher durch unterschiedliche Transportkosten und staatliche Zuschläge. Preissenkende Tendenzen von erneuerbaren Energien auf dem deutschen Stromspotmarkt, die vom deutschen Verbraucher teuer über die EEG-Umlage finanziert werden, lassen also im gleichen Maße auch im Ausland die Strompreise sinken. Dort allerdings ohne Zusatzkosten für die Verbraucher.
Irritierend ist auch die FÖS-These: hoher Strombedarf führt zu niedrigen Preisen. Das geht an den Realitäten des Stromeinkaufs vollkommen vorbei. Denn ein hoher Stromverbrauch gibt dem Kunden keinen Vorteil. Er stellt ihn sogar eher vor Probleme: das Risiko für den Anbieter steigt. Der Kreis der Anbieter, die es zu tragen gewillt sind, wird sehr eng. Der Wettbewerbsdruck sinkt und Margen können steigen. Bestimmende Faktoren für den Strompreis sind deshalb nicht etwa die Menge, sondern Einkaufszeitpunkt und die Verteilung des Verbrauchs auf Niedrig- und Hochpreiszeiträume (das Lastprofil) sowie der Anschluss an eine möglichst hohe Spannungsebene im Netz.
Im FÖS-Gutachten wird zudem behauptet, eine Eigenstromerzeugung führe generell zu günstigeren Strompreisen. Das ist allerdings nicht durchgängig der Fall. Auf jeden Fall ist eine Eigenerzeugung mit hohen Investitionen, Risiken und Fixkosten verbunden. Risiken und Lasten, die Haushalte im Übrigen ebenfalls schultern könnten. Verschiedene Angebote für „Zuhause-Kraftwerke“ sind am Markt verfügbar. Es entscheiden sich dafür allerdings nur wenige Haushaltskunden, denn auch hier sind natürlich erhebliche Investitionen zu leisten.
Die in Deutschland produzierenden Unternehmen müssen sich im Alltag gegenüber Wettbewerbern – durchaus auch Standorte der gleichen Konzerne im Ausland – behaupten. Für Produkte aus energieintensiven Prozessen ist das bei den bestehenden Strompreisunterschieden, in Teilen der USA kostet z.B. Strom nur die Hälfte dessen, was hier zu bezahlen ist, sehr schwierig. Da liefert selbst der in den deutschen Unternehmen weit entwickelte Energieeffizienzstandard häufig keinen ausreichenden Ausgleich mehr. „Wir müssen unsere energieeffiziente Industrie auf dem etwas steinigen Weg der Energiewende unterstützen, damit sie weiter in Deutschland gute Arbeitsplätze und eine Lebensperspektive für ihre Beschäftigten bieten und dem Staat Flexibilität für Sozial- und Wohlfahrtsleistungen bieten kann“, so Dr. Annette Loske, Hauptgeschäftsführerin des VIK.
* „Strompreise und Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrie“ vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS)
PM_2013_Januar_17.pdf (326,1 kB)