28.02.2024
Stellungnahme

Optimierung des Auktionsverfahrens für die Flächenvergabe für Windkraft auf See

Im Zuge des Ausbaus der Erneuerbaren Energien in Deutschland setzt die

Bundesregierung unter anderem stark auf Windkraft auf See im deutschen Anteil der

Nord- und Ostsee. Windkraft auf See zeichnet sich dadurch aus, dass sie insgesamt eine

noch bessere Windhöffigkeit aufweist als Wind an Land, also pro Jahr mehr Stunden

Produktion ermöglicht. Zudem ist trotz der besonderen Anforderungen, um Windparks im

Meer zu errichten und zu betreiben, die Energieausbeute pro Anlage im direkten

Vergleich im Regelfall erheblich besser als an Land, weil die Windkraftwerke größer und

dadurch leistungsfähiger sind. Das Potential von Windkraft auf See ist also erheblich. Mit

dem Windenergie-auf-See-Gesetz hat der Gesetzgeber 2023 festgelegt, dass bis 2030

insgesamt 30 GW Erzeugungskapazität und bis 2045 sogar 70 GW ausgeschrieben und

auktioniert werden sollen. In den 20 Jahren zuvor waren es zum Vergleich nur acht GW.

System der Flächenvergabe für Windparks auf dem Meer und Belieferung der

Industrie

Die Vergabe der Flächen zur Errichtung von Windparks auf See findet aktuell auf

Grundlage von Ausschreibungen und Auktionen statt (WindSeeG § 21). Den Zuschlag

erhält der Bieter mit der geringsten Fördersumme bzw. im Zuge des neuen „dynamischen

Gebotsverfahrens“, wenn mehrere Bieter ganz auf eine Förderung verzichten, derjenige

den Zuschlag, der die größte Zahlungsbereitschaft hat. Bei den Auktionen des Jahres

2023 sicherten sich zwei Mineralölkonzerne die vier größten Projekte für eine

Rekordsumme von 12,6 Milliarden Euro – Einnahmen, die dem Staat langfristig bis 2050

zufließen.

Der beschriebene Mechanismus bei Ausschreibung und Vergabe bedeutet eine starke

Fokussierung auf möglichst hohe Auktionserlöse. Es ist zu erwarten, dass bei dem

bestehenden Regelwerk auch die folgenden Auktionen auf den ersten Blick erfreulich

hohe Erlöse erbringen dürften. Die Kehrseite ist jedoch, dass hohe Auktionserlöse Bestandteil der Projektkalkulation werden und sich zu einem späteren Zeitpunkt in
höheren Strompreisen niederschlagen.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hatte sein Brückenstrompreismodell 2023 für
einen befristeten reduzierten Strompreis für Industriebetriebe u.a. mit der Erwartung
begründet, dass ab ca. 2030 durch den bis dahin erfolgten Ausbau der Erneuerbaren
Energien die großen industriellen Energieverbraucher mit erneuerbarem Strom auf einem
international wettbewerbsfähigen Preisniveau und in den nötigen großen Mengen
versorgt werden könnten. Besonders betont wurde in diesem Zusammenhang Windkraft
auf See. Die Belieferung der industriellen Verbraucher zu international
wettbewerbsfähigen Kosten ist jedoch in den bisherigen Aktionsverfahren nicht als
Kriterium eingegangen.
Negative (ungewollte) Effekte des „dynamischen Gebotsverfahrens“ aktuell
Ein Auktionsmechanismus, der möglichst hohe Gebote mit einer entsprechend höheren
Zuschlagswahrscheinlichkeit belohnt, wirkt da wie ein Kostentreiber. Im Falle der
Zuschläge an die zwei Mineralölkonzerne 2023 gehen Experten von allein durch die
Auktionen verursachten Kosten von etwa 2 ct/kWh aus. Das konterkariert die Absicht des
BMWK zu günstigem erneuerbarem Strom für die Industrie ab ca. 2030. Im Extremfall
könnten hohe Auktionserlöse auch dazu führen, das bezuschlagte Bieter ihr erworbenes
Recht zu einem späteren Zeitpunkt gar nicht nutzen, weil das Projekt insgesamt nicht
mehr wirtschaftlich ist. Dann würde auch noch der Zeitplan beim Ausbau der
Erzeugungskapazitäten verfehlt werden.
Das sind schwerwiegende negative Faktoren, denn Absicht von Bundesregierung und
Bundestag ist ja eigentlich der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung auf See zu
international wettbewerbsfähigen Kosten und nicht die Erzielung möglichst hoher
einmaliger Einnahmen für die Staatskasse. Gegenwärtig jedoch ist die immanente
Tendenz zu möglichst hohen Einnahmen zugleich der Treiber für möglichst hohe Kosten
für den erneuerbaren Strom. Das kann nicht gewollt sein. Angesichts dieses
systemischen Defekts liegt es nahe, den einseitig auf möglichst hohe Auktionserlöse
beim „dynamischen Gebotsverfahren“ ausgerichteten Mechanismus durch weitere
Kriterien zu ergänzen und auszugleichen, die die Erreichung des ursprünglich
angestrebten Ziels wieder ermöglichen: Erneuerbare Energie für Industrieabnehmer in
ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Kosten bereitzustellen.
Vorschläge zur Beseitigung des Fehlanreizes im „dynamischen Gebotsverfahren“
Die geeignete Lösung wäre die Einführung von qualitativen Kriterien, die dem im
WindSeeG § 21 jetzt allein gültigen und rein quantitativen Kriterium an die Seite gestellt
werden und in einem Scoring-System in das Auktionsergebnis einfließen. Diese zu
berücksichtigenden Kriterien könnten beispielsweise sein:

1. Kooperationen mit Unternehmen zur industriellen Eigenerzeugung (z.B. Joint
Ventures von Industrieabnehmern und Projektentwicklern bzw.
Windparkbetreibern.)
2. Verbindliche anteilige Stromabnahme durch industrielle Abnehmer (höherer Anteil
= höhere Punktzahl).
3. Verbindliche langfristige Stromabnahme industrieller Abnehmer (längerer
Zeitraum = höhere Punktzahl).
4. Versorgungsanteil lokaler Geschäftsfelder zur Dekarbonisierung (z.B. gem.
Definition im „Net Zero Industry Act“ der EU).
5. CSRD-Kriterien (z.B. Net-Zero-Commitment, Tarifbindung, Ausbildungsquoten,
EU-Beschäftigte, F+E-Ausgaben EU).
6. Systemdienlichkeit durch Ausregelung mit steuerbaren Anlagen / Angebot an
Flexibilitäten (z.B. Batterien).
7. Reduktion des Gewichtungsanteils finanzieller Komponenten (z.B. auf 20%).
Durch eine solche Weiterentwicklung könnte der jetzige Fehlanreiz im System korrigiert
und das System selbst wieder auf die ursprünglich angestrebte Zielerreichung
ausgerichtet werden.
Der politisch gewünschte Anreiz zum Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung auf See
bliebe erhalten, gleichzeitig aber würde eine effektive Perspektive zur Dekarbonisierung
des industriellen Energieverbrauchs wieder eröffnet (Erreichung der Klimaziele) und
durch die frühe und langfristige Einbindung der industriellen Energieabnehmer zudem die
Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die gewünschten Investitionen in die Windparks auf dem
Meer auch tatsächlich und in dem vorgesehenen Zeitraum erfolgen und eine Belieferung
der industriellen Verbraucher zu wettbewerbsfähigen Kosten langfristig erfolgen kann.
Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht die Frage, ob das jetzige Auktionsregime
überarbeitet wird, sondern wann und wie. Da für 2024 wieder Ausschreibungen und
Auktionen vorgesehen