01.10.2025
Stellungnahme

Stellungnahme zum Referentenentwurf „Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten 2026“

Präambel

Die energieintensive Industrie steht angesichts massiv gestiegener Stromkosten unter erheblichem Druck. Die Stromnetzentgelte können bis zu mehr als ein Drittel der Stromkosten eines Industriebetriebs ausmachen, haben sich seit dem Wegfall des staatlichen Zuschusses im Jahr 2024 mehr als verdoppelt und stellen einen gravierenden Wettbewerbsnachteil dar. Der vorliegende Gesetzentwurf des BMWE zur Bezuschussung der Übertragungsnetzentgelte im Jahr 2026 ist ein grundsätzlich begrüßenswerter Schritt. Gleichwohl weist der Entwurf Schwächen auf, die aus Sicht der industriellen Großverbraucher dringend korrigiert werden müssen, damit der Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten seine intendierte Entlastungs- und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhende Wirkung entfalten kann,

Zusammenfassung

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Bezuschussung der Übertragungsnetzentgelte im Jahr 2026 ist grundsätzlich zu begrüßen, enthält aus Sicht der energieintensiven Industrie jedoch mehrere kritische Punkte.

Wenn ein Unternehmen über individuelle Netzentgelte verfügt, ist die Entlastungswirkung durch den Zuschuss deutlich reduziert oder hat keinen Effekt.

  • Es fehlt eine rückwirkende Entlastung für das Jahr 2025, da die Verdopplung der Netzentgelte bereits seit 2024 zu erheblichen Mehrbelastungen geführt hat. Die Maßnahme greift damit zu spät und verfehlt ihre entlastende Wirkung für das laufende Jahr.
  • Darüber hinaus ist die Bezuschussung rechtlich auf das Jahr 2026 begrenzt. Für Investitionssicherheit braucht es eine gesetzliche Festlegung kongruent zum Haushaltsentwurf bis 2029.
  • Besonders problematisch ist zudem die im Entwurf vorgesehene Widerrufsmöglichkeit des Zuschusses, die selbst für das Jahr 2026 Unsicherheit schafft und die Entlastungswirkung konterkariert.
  • Schließlich fehlt es an Transparenz hinsichtlich der konkreten Entlastungswirkung des Zuschusses – insbesondere in Bezug auf die erwartbare Senkung der durchschnittlichen Netzentgelte. Die Senkung der ÜNB-Netzentgelte wirkt sich auf nachgelagerten Spannungsebenen geringer und regional verschieden aus, u.a. aufgrund regional unterschiedlicher Bezüge aus dem ÜNB-Netz.

Ein erheblicher Teil der Netzkosten ist auf Kosten bei der Transformation des Energiesystems zurückzuführen, etwa durch Redispatch-Maßnahmen infolge eines unzureichenden Netzausbaus oder durch die kostenintensive Netzreserve. Diese Kosten sollten dauerhaft aus den Netzentgelten herausgelöst und aus staatlichen Mitteln getragen werden.

Stark eingeschränkte Entlastungswirkung bei individuellen Netzentgelten

Der Effekt des Zuschusses auf die Übertragungsnetzentgelte variiert durch verschiedene Faktoren. Zum einen ist er abhängig von der Spannungsebene, an die der Letztverbraucher angeschlossen ist. Der Entlastungseffekt sinkt, je niedriger die Anschlussebene. Darüber hinaus ist relevant, inwieweit ein Unternehmen über ein individuelles Netzentgelt nach §19 Abs. 2 StromNEV verfügt. Sollte ein Unternehmen bereits einen prozentualen Rabatt erhalten, mindert dieser Rabatt die Entlastung durch den Zuschuss entsprechend prozentual. Für intensive Netznutzer (§19 Abs. 2 Satz 2), bei denen die individuellen Netzentgelte gemäß des sog. physikalischen Pfads bestimmt werden, hat der Zuschuss zu den Netzentgelten der ÜNB auf das Netzentgelt des betroffenen Letztverbrauchers überhaupt keinen Einfluss. In Summe führen diese beschriebenen Faktoren dazu, dass der geplante Zuschuss die allgemeinen Netzentgelte der ÜNB zwar reduziert, für industrielle Letztverbraucher aber in den meisten Fällen zu einer geringen bzw. sogar überhaupt keiner Entlastung führt.

Fehlende Rückwirkung

Der ursprünglich geplante, aber im Haushaltskompromiss gestrichene Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten im Jahr 2024, sowie der kleine geplante, aber nicht umgesetzte, Zuschuss von nur 1,32 Mrd. Euro im Jahr 2025 haben zu einer Verdopplung der Netzentgelte gegenüber 2023 geführt. Eine Entlastung ausschließlich für 2026 greift zu kurz. Die Industrie hatte – auch im Vertrauen auf politische Zusagen – mit einer früheren Entlastung gerechnet.

Fehlende Verstetigung

Die einmalige Bezuschussung für 2026 bietet keine Planungssicherheit. Für Investitionen in Elektrifizierung und klimaneutrale Technologien sind langfristig verlässliche Strompreise unabdingbar. Die politischen Pläne, Zuschüsse auch für die Jahre 2027 bis 2029 zu gewähren, begrüßt der VIK, eine zeitnahe gesetzliche Verankerung ist nun notwendig, um den Unternehmen Planungssicherheit für die Kostenkalkulation von Elektrifizierungsprojekten zu ermöglichen und dringende benötigte Entlastungen zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu verschaffen.

Gefahr unterjähriger Rückabwicklung

Darüber hinaus schafft der vorgesehene §24c Abs. 5 EnWG die Möglichkeit die Förderung einmal unterjährig anzupassen, so dass nicht einmal im Förderjahr Planungssicherheit für die Stromkunden besteht.

Fehlende Ausgliederung der Transformationskosten aus den Netzentgelten

Allein im Jahr 2023 wurden im Rahmen der Energiewende 8 Milliarden Euro in das Übertragungsnetz investiert. Zur Einhaltung der Netzausbauziele im NEP 2037/2045 (Version 2023) sind nach Angaben im Energiewendemonitoring 440 Mrd. Euro notwendig (S.79). Hinzu kommt ein Investitionsbedarf von 235 Mrd. Euro im Verteilnetz bis zum Jahr 2045 (Energiewendemonitoring, S.14). Im Vergleich dazu fällt der im aktuellen Referentenentwurf vorgesehene einmalige Zuschuss in Höhe von 6,5 Milliarden Euro deutlich zu gering aus. Die mit der Energiewende verbundenen Netztransformationskosten sollten im Rahmen einer Kofinanzierung dauerhaft aus dem Bundeshaushalt getragen werden.

Fehlende ersichtliche Transparenz zur Entlastungswirkung

Der Referentenentwurf enthält bislang keine quantifizierte Darstellung der zu erwartenden Reduktion der durchschnittlichen Übertragungsnetzentgelte. Dadurch fehlt eine belastbare Grundlage zur Bewertung der tatsächlichen Entlastungswirkung für stromintensive Industrieunternehmen, um die Maßnahme realistisch einschätzen und verlässlich in die betriebliche Strompreisplanung integrieren zu können.

Nachschärfung für Entlastung bei den Netzentgeltkosten der Industrie notwendig

Wie eingangs beschrieben machen die Netzentgeltkosten einen signifikanten Anteil der Energiekosten in einem Industrieunternehmen aus, unabhängig davon, ob ein Unternehmen bereits individuelle Netzentgelte beansprucht oder nicht. Der VIK-Strompreisindex oder jener der Bundesnetzagentur belegen dies. Daher ist es für die Zukunft des Industriestandortes Deutschlands wichtig, dass der geplante Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten auch eine kostensenkende Wirkung für die Industrie hat. Der VIK schlägt daher vor, einen zielgerichteten Mechanismus zu entwickeln, der tatsächlich zu einer spürbaren Kostenentlastung auch für die energieintensive Industrie führt.

Fazit

Grundsätzlich begrüßt der VIK den Zuschuss von 6,5 Mrd. Euro zu den Übertragungsnetzentgelten für das Jahr 2026. Damit die geplante Zuschusssumme vollständig seine intendierte Entlastungs- und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhende Wirkung für die Industrie entfalten kann bedarf es Lösungen auf die folgenden Probleme des Referentenentwurfes zu finden:

Eine Entlastung für das laufende Jahr 2025 ist bislang nicht vorgesehen, obwohl gerade in diesem Zeitraum die Belastung durch gestiegene Übertragungsnetzentgelte besonders gravierend ausfällt.

  • Die vorgesehene einmalige Bezuschussung für das Jahr 2026 und die politische Absicht, diese bis 2029 aus dem Bundeshaushalt zu verstetigen, ist ein gutes Zeichen für die deutsche Industrie, schafft aber keine belastbare Grundlage für mittel- und langfristige Planungen, da eine konkrete, gesetzlich verankerte, Fortführung oder Verstetigung der Maßnahme fehlt.
  • Die im Koalitionsvertrag angekündigte Einführung einer gesetzlichen Deckelung (Rz. 959 Koalitionsvertrag) für Übertragungsnetzentgelte findet im aktuellen Entwurf keine Umsetzung, obwohl sie ein zentrales Instrument zur Begrenzung struktureller Kostenrisiken darstellen würde.
  • Die Möglichkeit einer unterjährigen Anpassung der Netzentgelte im Falle unvollständiger Mittelbereitstellung führt zu zusätzlicher Unsicherheit – selbst innerhalb des Jahres, das eigentlich der Entlastung dienen soll.

Zudem werden industrielle Letztverbraucher mit individuellen Netzentgelten durch den Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten nur in geringem Umfang entlastet oder bleiben sogar ganz außen vor. Es muss die Wechselwirkung des Zuschusses mit den bestehenden individuellen Netzentgelten bei der Industrie mitgedacht werden, sonst hat der Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten keine greifbare Wirkung für die Industrie.

Bruno Wangemann
Ansprechpartner

Bruno Wangemann

Referent für Energie- und Stromwirtschaft