Trotz Finanzkrise und eher ungünstiger Konjunkturperspektiven wird die Strombeschaffung für die Industrie 2012 gegenüber 2011 im Mittel um 9 % teurer, so die Einschätzung des VIK, der Interessenvertretung energieintensiver Unternehmen, anlässlich seiner diesjährigen Jahrespressekonferenz (Bild: VIK-Strompreisvergleich). Bedingt durch den Wegfall der Produktion von 8 Kernkraftwerken wird das Stromangebot knapper. Das führt zu Preissteigerungen und darüber hinaus wird die Netzstabilität und Stromqualität geringer, Faktoren der Energiewende, die Anfang 2011 noch nicht zu erahnen waren.
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Bild: VIK-Strompreisvergleich[/caption]
Die Industrie ist bereits jetzt mit Auswirkungen der Energiewende konfrontiert, die die Standortqualität negativ verschieben. Der Strompreis ist in Deutschland ohnehin vergleichsweise hoch, nun sinkt aber die bisher hohe Stromqualität spürbar. Frequenzschwankungen des Netzes oder Stromausfälle im Millisekundenbereich sind die Folge – sie nehmen schon sichtbar zu. Was bei Haushalten nicht auffällt – weil Kühlschränke oder Waschmaschinen dies aushalten –, bedeutet für hochkomplexe Fertigungsprozesse im Industrieland Deutschland zunehmende Störungen und teure Ausfälle. Weitere Folge für die Unternehmen: Kosten steigen und Liefertermine werden schlechter kalkulierbar; für einen Exportmeister keine akzeptable Entwicklung.
Die EEG-Umlage (EEG - Erneuerbare-Energien-Gesetz) steigt 2012 nur geringfügig um 1,7 % und die Novelle des EEG hat zudem die Besondere Ausgleichsregelung, mit der stromintensive Unternehmen entlastet werden, erweitert, so dass nun nicht mehr ein paar Hundert, sondern einige Tausend der über 100.000 Unternehmen in Deutschland auf eine Berücksichtigung hoffen können. Eine gute Entscheidung der Politik! Warum allerdings Produzenten erneuerbarer Energien über die hohen EEG-Vergütungen hinaus ein weiteres Geldgeschenk in Milliardenhöhe erhalten, ist aus Sicht des VIK unverständlich. „Mit der neu eingeführten Managementprämie können z.B. Windanlagenbetreiber die garantierte Einspeisevergütung noch einmal um 12 Euro/MWh erhöhen. Gezahlt werden soll, um Anreize für eine Eigenvermarktung zu schaffen. Nutzen hätte das System, wenn tatsächlich Strom z.B. aus Windanlagen in die Zeiten verschoben würde, in denen Strom knapp und teuer ist. Aber es liegt aber auf der Hand, Windstrom wird auch in Zukunft dann produziert, wenn der Wind weht. „Und so werden die Anreize nicht zu einer verbesserten Einspeisung führen, sondern einfach nur als zusätzliche Gewinne von den Erzeugern eingenommen werden. Eine Lizenz zu Mitnahmeeffekten!“, so Dr. Volker Schwich, VIK-Vorsitzender.
Zudem wird ab 1. Januar 2012 vielfach auch Strom aus industriellen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) mit EEG-Umlage belastet werden; hier geht es um Strom von Industrieunternehmen zur Versorgung ihrer Produktionsstätten, der in eigenen Kraftwerken erzeugt wird. Insbesondere für Unternehmen, die in neue KWK-Anlagen investieren wollen, wurde so eine teure Zusatzbelastung geschaffen, die gleichzeitig auch unter Umwelt-/Klimagesichtspunkten unverständlich und bedenklich ist. Denn auch mit der Energiewende wird Deutschland noch lange auf Strom auch aus konventionellen Kraftwerken angewiesen sein. Hier bietet sich die – besonders in der Industrie verbreitete und zukünftig verstärkt mit dem EEG-Aufschlag belastete – gekoppelte Produktion von Strom und Wärme aus KWK-Kraftwerken als die klimaschonendste Variante an. In Verbindung mit dem Ziel der Bundesregierung gerade auch diese Technik weiter zu fördern, eine schwer verständliche Neuregelung.
Zur wirkungsvolleren Förderung der KWK setzt der VIK jetzt auf die angekündigte KWK-Novelle. Hier müsste die Politik die Weichen dingend so stellen, dass moderne, hocheffiziente KWK auch einen entsprechenden Schub erhält. Die Förderung dieser vergleichsweise günstigen und verlässlich arbeitenden Anlagen sollte daher deutlich verbessert werden. Wesentlicher Schritt wäre dabei beispielsweise, die Anforderung an die Modernisierung von KWK Anlagen deutlich herunter zu schrauben. Es kann nicht richtig sein, dass nur KWK-Projekte gefördert werden, die mindestens 50 % der Kosten eines fiktiven Neubaus ausmachen.
Gleichzeitig sollte die Vorrangregelung für Erneuerbare-Energien-Anlagen gegenüber KWK-Anlagen fallen. Weil gerade viel Wind weht, kann ein KWK-Prozess nicht beliebig herunter geregelt werden, dafür ist die daran geknüpfte Wärmeversorgung, für z.B. nachgelagerte Industrieprozesse oder Fernwärmenetze, zu wichtig.
Die Industrie bietet zudem an, ihre Möglichkeiten des Lastmanagements in den Dienst der Netzstabilisierung und der „Black out“-Verhinderung zu stellen. Hier liegt eine echte Win-Win-Situation: Netzkapazitäten könnten optimaler genutzt werden, Industriekunden könnten eine Vergütung ihrer Dienste erhalten, die die Wettbewerbsnachteile durch hohe Energiekosten etwas dämpfen könnte.
Die Energiewende 2011 war nicht das einzige für die energieintensiven Unternehmen relevante Thema des Jahres. Zu den weiteren Top Energiethemen 2011 gehört auch die weiterhin ungeklärte Frage nach den Kompensationszahlungen für die indirekten Belastungen aufgrund der durch den Emissionshandel steigenden Strompreise.
Der Emissionshandel lässt die Strompreise steigen und „Carbon Leakage“ gefährdete Branchen, die im internationalen Wettbewerb stehen und diese Preisaufschläge nicht an ihre Kunden weiter geben können, benötigen eine volle Kompensation dieser Belastungen. Die Bundesregierung mit der starken Stimme von Kanzlerin Merkel hatte sich bereits Ende 2008 deutlich für eine entsprechende Regelung gegenüber der EU positioniert. Die Kommission scheint diese Art der Kompensation aber weitgehend verhindern zu wollen. Hier fordert der VIK die Bundesregierung auf, fest zu ihrer Position zu stehen, damit sie in Brüssel durchgesetzt werden kann. Alles andere wäre für die Unternehmen am Standort eine Ohrfeige mit enormem Bedrohungspotenzial.
PM_2011_Oktober_19_VIK_Jahrespressekonferenz_2011_Energiwende.pdf (270,3 kB)
VIK_JT_2011_Praesentation_Schwich_Jahrespressekonferenz.pdf (1,0 MB)
VIK_JT_2011_Rede_Schwich_Jahrespressekonferenz.pdf (162,4 kB)