26.11.2025
Stellungnahme

VIK-Positionspapier zum Entwurf der EU Mitteilung zur Änderung der Leitlinien für bestimmte Beihilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem ETS (EU ETS State Aid Guidelines Post-2021)

Im Rahmen der aktuellen Diskussionen über die Änderung der EU Leitlinien für bestimmte Beihilfemaßnahmen im Zusammenhang mit dem ETS unterstreicht der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK e. V.) in dieser Stellungnahme zentrale Problempunkte, die dringend angepasst werden sollten.

Europäische Unternehmen stehen unter zunehmendem Wettbewerbsdruck durch Nicht-EU-Länder, verzeichnen sinkende Gewinnmargen und eine anhaltende Unterauslastung ihrer Produktionskapazitäten. Diese Faktoren hatten Werksschließungen und den Abbau von Arbeitsplätzen zur Folge. Zudem sind Industrieanlagen oft für eine maximale Auslastung ausgelegt, sodass Lastreduktionen aufgrund der geringeren Spezifik mit höheren Energieverbräuchen und somit höheren Energiekosten einhergehen. Für energieintensive Sektoren entstehen zusätzliche Kostenbelastungen sowohl durch direkte als auch indirekte CO₂-Emissionskosten, die sich auch auf die Strompreise auswirken und das Risiko der Carbon Leakage erhöhen. Da internationale Wettbewerber diesen Kosten nicht unterliegen, sind europäische Industrien einem unfairen Wettbewerb durch Importe ausgesetzt, die die darin enthaltenen indirekten CO₂-Emissionskosten nicht widerspiegeln.

Aus unserer Sicht sollte die Bundesregierung den von der EU erweiterten Scope schnellstmöglich in nationales Recht umsetzen, damit eine erweiterte Antragstellung bereits für 2025 in 2026 möglich ist.

Nach unserer Auffassung sollten im Rahmen der zukünftigen Ausgestaltung der Leitlinien für staatliche Beihilfen im ETS mehrere dringende Maßnahmen umgesetzt werden, um eine weitere Deindustrialisierung zu verhindern:

1. Alle betroffenen Sektoren und Teilsektoren sollten förderfähig sein:

Alle Industriebranchen, die aufgrund ihrer hohen internationalen Handelsexponierung und erheblicher indirekter ETS-Kosten einem echten Risiko der Carbon Leakage ausgesetzt sind, sollten Anspruch auf Ausgleichsmaßnahmen haben. Eine Neubewertung auf Grundlage des Stromverbrauchs, der Bruttowertschöpfungsdaten (GVA) und der CO₂-Preise ist entscheidend, um eine gerechte Behandlung sicherzustellen und einen weiteren industriellen Niedergang zu verhindern. Um eine Benachteiligung von Unternehmen mit fortschreitender Elektrifizierung zu verhindern, sollte für diese eine Wahlmöglichkeit zwischen Benchmark und Fallback-Ansatz möglich gemacht werden. Hierdurch könnte das jeweils geeignetere Verfahren Anwendung finden, was sowohl eine faire als auch eine zukunftsorientierte Ausgestaltung der Beihilfe sicherstellt. Damit neuen Technologien in Zukunft der Zugang zum Begünstigtenkreis der SPK nicht von Anfang an verwehrt bleibt, schlagen wir eine Streichung (point 17) der Verfügbarkeit repräsentativer Daten über drei Jahre auf EU-Ebene vor, um neue Sektoren zuzulassen. Zudem ist es für alle neu Berechtigten unabdingbar, dass in Deutschland zunächst die Zulassung des erweiterten Begünstigtenkreises bereits für einen Antrag im Jahr 2026 auf den Stromverbrauch von 2025 sofort umgesetzt wird, bevor weitere Detailforderungen dies verzögern.

Daneben sind noch die Stromverbräuche für die Hilfsenergien endlich beihilfefähig zu gestalten. Bisher fällt nur der Stromverbrauch in der jeweils beihilfeberechtigten Anlage unter die Strompreiskompensation.

Erstantragsstellern aufgrund des geänderten Empfängerkreises stellt sich die Herausforderung, kein etabliertes Datengerüst für die Antragstellung zu besitzen. Dem sollte mit einer verlängerten Frist zur Einreichung des Antrages begegnet werden, um die erforderlichen Daten zu erheben und die externe Prüfung zu gewährleisten.

2. Konditionalitätsvorgaben sollten abgeschafft werden: Durch die Kompensation indirekter Kosten wird der Wettbewerbsnachteil ausgeglichen, der infolge hoher CO₂-Kosten im Strompreis entsteht. Sie sollte nicht an zusätzliche Anforderungen wie verpflichtende Investitionen in Dekarbonisierung oder Energieeffizienz geknüpft werden. Zudem optimieren Unternehmen aufgrund steigender Energiekosten und des globalen Wettbewerbs ihre Effizienz und technologischen Prozesse bereits kontinuierlich.

Für den Fall, dass die ökologischen Gegenleistungen weiterhin Bestandteil der Regelungen bleiben sollten, fordern wir, auch Investitionen in Kreislaufwirtschaft und Infrastruktur geltend zu machen. Allerdings müsste diese Änderung dann auch in den KUEBLL und der EU-ZuVO erfolgen, sonst würde diese Ausweich- bzw. Erweiterungsmöglichkeit nur wenig Sinn ergeben (Stichworte: Kostenlose Zuteilung nächste Handelsperiode, Netzumlagereduzierung). Werden solche Investitionen ausgeschlossen, benachteiligt dies Unternehmen, die ihre gesamte Prozesskette nachhaltig gestalten wollen, also über Klimaschutz und Energieeffizienz hinausgehen. Dies wäre dem übergeordneten Ziel der Transformation nicht dienlich.

Ebenfalls essenziell ist die Möglichkeit für Unternehmen der neu in den Empfängerkreis aufgenommenen Sektoren, eine Verpflichtungserklärung für ökologische Gegenleistungen abgeben zu dürfen.

3. Ausreichende Budgets für bestehende und neue Sektoren: Wie im Draghi-Bericht hervorgehoben wurde, sollte ein größerer Anteil der Einnahmen aus ETS-Versteigerungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien verwendet werden. Im Hinblick darauf empfiehlt sich eine Aufstockung der Budgets für ETS-Kompensationen, um einen wirksameren Schutz der betroffenen Industrien zu gewährleisten und diesen auf zusätzliche Sektoren auszudehnen.

Deutschland hat für den Haushalt 2026 für die SPK 3 Mrd. € eingeplant. Das reicht für die Sektoren des bisherigen Stands, bei weitem aber nicht für die Bestands- und die neu hinzukommenden Sektoren. Die Bundesregierung sollte sicherstellen, dass bei einer geplanten Aufnahme der neuen Sektoren bereits für das Antragsjahr 2025 (mit Auszahlung im Jahr 2026) die Haushaltsmittel entsprechend deutlich aufgestockt werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass zunächst die ergänzende Beihilfe für besonders stromintensive Unternehmen und in der Folge auch die SPK-Mittel für alle weiteren Unternehmen gekürzt werden müssen.

4. Alle Herkunftsnachweise müssen anrechenbar sein: Der Entwurf der Beihilfeleitlinien enthält die Definition von „Mittelwesteuropa“ als Deutschland, Österreich und Luxemburg nicht mehr. Dadurch läuft der Verweis in der deutschen SPK-Förderrichtlinie auf „Mittelwesteuropa“ (derzeit definiert als Deutschland, Österreich und Luxemburg) ins Leere, da diese Definition nicht mehr existiert.

Durch den Ausschluss von Österreich von der Gruppe mit Deutschland und Luxemburg besteht die Gefahr, dass Herkunftsnachweise (HKN) aus Österreich nicht mehr angerechnet werden dürfen. Das wäre ein signifikanter Nachteil für deutsche Unternehmen. Teils wurden bereits große Mengen an österreichischen HKNs für die Kalenderjahre 2025 und 2026 beschafft. Für das Jahr 2025 scheinen, nach der Lesart des VIK (vgl. 9. und 10. in dem Entwurf zur Anpassung der Beihilfeleitlinien), die Anpassungen der geografischen Gebiete noch nicht anwendbar zu werden, für das Jahr 2026 wären aber die österreichischen HKNs dann größtenteils wertlos. Andererseits müssten dann vollständig gekoppelte HKNs aus Deutschland gekauft werden, da Luxemburg keine Alternative darstellt. Das geht nur mit sog. PPAs, über die nicht alle Unternehmen verfügen und deren Anschaffung oft mit längeren Vorlaufzeiten einhergeht. Der Aufwand, PPAs zu erhalten, ist hoch und nicht kurzfristig realisierbar. Außerdem können nur wenige Unternehmen diese Alternative in Anspruch nehmen, da die Bonität dieser Unternehmen mit Blick auf die PPA-Anbieter nicht ausreicht. Beim Grünstrom müsste es daher so einen Bestandschutz geben, wenn bereits entsprechende Lieferverträge über HKNs mit Quellen aus Österreich abgeschlossen wurden. Diese müssen weiter akzeptiert werden.

Die deutsche SPK-Förderrichtlinie muss daher in Kapitel 4.2.2 (b) dahingehend angepasst werden, dass Herkunftsnachweise ohne geografische Einschränkungen zur Erfüllung der Gegenleistungen als Option für die betroffenen Unternehmen zur Verfügung stehen. Dies wäre kohärent mit der Anwendung der Beihilfeleitlinien in den anderen EU-Mitgliedsstaaten (kein „Gold Plating“ in Deutschland) und würde die bisherige innereuropäische Ungleichbehandlung beseitigen. Erst dann wäre Grünstrom eine echte Alternative zur Möglichkeit der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen entsprechend der Beihilfeleitlinien. Die dritte Möglichkeit, die Dekarbonisierung von Produktionsprozessen, stellt nach den Erfahrungen unserer Mitgliedsunternehmen keine Alternative dar.

Überdies muss die Auflage „gekoppelte Leistung“ für HKN aus Deutschland in der deutschen SPK-Förderrichtlinie in Kapitel 4.3 b) aa) 2. Spiegelstrich geändert werden. Es sollten sowohl deutsche HKN als auch HKN mit dem Merkmal „gekoppelte Lieferung“ akzeptiert werden, um die ökologische Gegenleistung anerkannt zu bekommen. Das stellt deutsche HKN wieder mit HKN aus anderen Ländern gleich. Der Nachweis, dass ungeförderter Grünstrom eingesetzt wurde, erfolgt dann wie üblich über HKN.

Wird die Strompreiskompensation über 2030 hinaus verlängert, sollten deutsche HKN darin von Beginn an mit HKN aus anderen Ländern wie hier vorgeschlagen gleichgestellt sein. Bislang gilt die Auflage „gekoppelte Lieferung“ nur für HKN aus Deutschland, nicht für andere Länder. Diese unterschiedliche Behandlung verzerrt den Markt für HKN und macht es für deutsche Unternehmen unnötig kompliziert und damit teurer, grünen Strom aus Deutschland zu kaufen. Gleichzeitig stellt dies eine Diskriminierung gegen deutsche Grünstromerzeuger dar.

5. Einbeziehung von Düngemitteln: Laut dem geleakten Entwurf sollen CBAM-relevante Produkte nicht durch diese Beihilfe begünstigt werden können, was faktisch erneut den NACE-Code 20.15 ausschließt. Als Begründung wird die Einbeziehung indirekter CO₂-Emissionen in die CBAM-Berechnung angeführt, wodurch CO₂-Emissionen aus Strom mitberücksichtigt werden. Die Berücksichtigung indirekter Emissionen im CBAM reicht jedoch nicht aus, um das Risiko der Carbon Leakage durch indirekte ETS-Kosten zu beseitigen. Sektoren, die im Rahmen von CBAM indirekte Emissionen melden müssen, sollten nicht automatisch von staatlicher Unterstützung ausgeschlossen werden – zumindest nicht, bevor die Methodologien zur CO₂-Bepreisung zwischen EU-Produzenten und Importeuren vollständig harmonisiert sind. Bis dahin sollten Düngemittel und andere betroffene Produkte weiterhin förderfähig für ETS-Beihilfen für indirekte Emissionen bleiben. Zudem sollte die Struktur der Beihilfen so angepasst werden, dass beide Instrumente, ETS und CBAM kohärent und gerecht angewendet werden können.

6. Einbeziehung von Industrieparks: Ein erheblicher Anteil der energieintensiven Industrie befindet sich in Industrieparks, in denen der Standort von einer eigenen Rechtsperson betrieben wird, die Sekundärenergien (z. B. Dampf, Wärme, Druckluft), die aus Strom erzeugt werden, an die dort ansässigen Industrieunternehmen liefert. Da diese Betreiber in der Regel nicht zu einem förderfähigen NACE-Sektor gehören, während die Industrieunternehmen dies tun, werden die in den Sekundärenergien enthaltenen indirekten ETS-Kosten nicht ausgeglichen. Dadurch sind die Industrieunternehmen von der ETS-Kostenkompensation ausgeschlossen, was zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber vollständig integrierten Einzelstandorten führt, die ihre eigenen Sekundärenergien erzeugen. Die ETS-Beihilfeleitlinien sollten daher die Zuordnung des zugrunde liegenden Stromverbrauchs zu den förderfähigen Unternehmen, die Sekundärenergie verbrauchen, ermöglichen, um eine gleichberechtigte Behandlung sicherzustellen.

Dipl.-Pol. Adelia Rathmann, MA
Ansprechpartnerin

Dipl.-Pol. Adelia Rathmann, MA

Seniorreferentin für Klimapolitik & Koordinatorin für EU-Energie- und Klimapolitik.