Gegenleistungsregelungen für Entlastungen von wettbewerbsgefährdenden Belastungen im Energiebereich findet man in zahlreichen klimapolitischen Regularien. Unternehmen sollen Gegenleistungen im Rahmen des BEHG, des EU-ETS (für den Erhalt der kostenlosen Zuteilung), der Kompensation indirekter CO2-Kosten (Strompreiskompensation) sowie nach dem Energiefinanzierungsgesetz im Zuge der BesAR erbringen.
Die Einführung der Gegenleistungsregelungen ist mit zahlreichen Unklarheiten und Ineffizienzen bei der Implementierung verbunden: Die staatliche Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung im Unternehmen nimmt seit einigen Jahren zu. Erstens, die betroffenen Unternehmen sind bei den Investitionsentscheidungen durch ein Gegenleistungsprinzip beschränkt, weil die Gegenleistungen an erster Stelle Investitionen in Energieeffizienz vorschreiben. Zweitens, eine Implementierung der Gegenleistungen ist an bestimmte Jahre geknüpft. Das führt dazu, dass Investitionen verschoben werden, um für die Folgejahre noch Potenzial zu haben. Drittens ist unklar, wie diese Gegenleistungen künftig gemeinsam wirken und sich kumulieren, und ob durch die Kombination der Instrumente zur Steigerung der Energieeffizienz (EMAS, ISO-Standards) tatsächlich positive Effekte entstehen.
Gerade der Fokus auf Energieeffizienz ist aus Sicht des VIK redundant. Es ist gerade nicht so, als müsse erst der Staat die Unternehmen zu energieeffizienten Produktionsverfahren anhalten oder sie von diesen überzeugen. Angesichts hoher Energiepreise praktizieren und investieren Unternehmen schon seit Jahrzehnten in Energieeffizienz, um am Standort Deutschland überhaupt weiter wirtschaften zu können. Hier muss kein Bewusstsein geschaffen oder geschärft werden. Somit bezieht sich der Geist der regulatorischen Maßnahmen auf einen Zustand, den es in der Realität nicht gibt, was lediglich sowohl bei Unternehmen als auch Behörden zu höchst unnötigem bürokratischem Mehraufwand und damit verbundenen Kosten führt, ohne irgendetwas zu verbessern.
Aus unserer Sicht sollten die Kompensationen 1:1 an die Unternehmen zurückgegeben werden, ohne dass sie dafür mit erheblicher Bürokratie verbundene Gegenleistungen erbringen oder die Nicht-Durchführbarkeit nachweisen müssen. Mittelfristig fordert der VIK dazu auf, sich auf europäischer Ebene für die Abschaffung der ökologischen Gegenleistungen einzusetzen (KUEBBL) oder zumindest eine Vereinheitlichung der Regelungen (insb. zu den Wirtschaftlichkeitsanforderungen) und 1-zu-1 Umsetzung der KUEBLL vorzunehmen.
Falls dies nicht möglich ist, für die Gegenleistungen sollte am besten Fall eine Optionslösung offen sein. Unternehmen sollten, ähnlich wie in den KUEBLL geregelt, aus verschiedenen Gegenleistungsoptionen auswählen dürfen. Regelungen für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen als Gegenleistung müssen praxisnah ausgestaltet sein, und die Benchmark-Vorgaben sollten realistisch festgelegt werden.
Die Gegenleistungen der BECV und der SPK sind so gestaltet, dass Maßnahmen jahresscharf nachgewiesen werden müssen. Das bildet jedoch nicht die unternehmerische Realität ab, denn Investitionen gerade in größere Projekte finden nicht kontinuierlich und jährlich statt, sondern in der Regel über mehrere Jahre verteilt. Ähnlich wie bei der BesAR sollten hier Mehrjahresmittelwerte der jeweiligen Maßnahmen betrachtet werden. Dabei sollte aufgrund der anstehenden Großinvestitionen in neue Anlagen und Verfahren ein möglichst großer Mehrjahreszeitraum gewählt werden. Aus Gründen der Rechts- und Planungssicherheit sollte die behördliche Nachweiserbringung von ökologischen Gegenleistungen bzw. der sog. Grünen Konditionalität ausschließlich ex ante erfolgen (vgl. EU-ETS).
Die Alternativen „Dekarbonisierungsmaßnahmen“ und „Stromeffizienzmaßnahmen“ können heute nur in Produktionssparten mit einem eigenem Produktbenchmark angerechnet werden. Dies führt dazu, dass diese Alternativen in allen anderen Produktionssparten nicht als Gegenleistung angerechnet werden können. Als eine Optionslösung sollte der Nachweis von Dekarbonisierungsmaßnahmen für alle Branchen auch jene ohne Benchmark möglich sein. Einige Unternehmen können Maßnahmen in Millionenhöhe jährlich nicht anrechnen lassen, da es für diese Branche keinen Benchmark gibt, was Unternehmen in die sperrige Nachweispflicht der Energieeffizienzmaßnahmen oder Grünstrom zwingt.
Ferner sollten die hier relevanten Antragsfristen inkl. des Nachweises der ökologischen Gegenleistungen entzerrt werden. Dies würde Antragsteller, prüfungsbefugten Stellen sowie zuständige Behörde entlasten.
Der VIK weist zudem darauf hin, dass eine vorgezogene Veröffentlichung der einschlägigen Leitfäden und Vorgaben erforderlich ist, um eine frühzeitige Vorbereitung der Unternehmen auf das Antragsverfahren zu gewährleisten.
Entlastungen und Kompensationen dienen dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Wirtschaftsregionen, in denen vergleichbare Belastungen nicht bestehen. Entlastungen sind daher keine zusätzlichen Gewinne. Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität in der Industrie sollten Vorrang genießen gegenüber Vorgaben zur Energieeffizienz, sofern diese sich technisch oder betriebswirtschaftlich widersprechen.
Dadurch, dass Investitionen in den energieintensiven Industrien über mehrere Jahre getätigt werden, birgt ein Eingreifen in die Investitionsplanung der Industrie über verpflichtende Reinvestitionen der erhaltenen Beihilfen die Gefahr, dass für die langfristige Produktionsumstellung Geldmittel fehlen, da diese in kurzfristige Projekte investiert werden müssen. Es muss gewährleistet sein, dass Großinvestitionen über mehrere Jahre anerkannt werden. Dabei sollten auch getätigte Investitionen der vergangenen Jahre anrechenbar sein. Zudem würde eine Verpflichtung der Unternehmen, alle denkbaren Energieeffizienzmaßnahmen mit einer Amortisationszeit von bis zu drei Jahren umzusetzen, die Implementierung langfristiger Energieeffizienzstrategien erschweren oder verhindern.
Die Umsetzbarkeit für kleinere Unternehmen ist besonders aufwendig, bindet Liquidität und könnte überfordern. Durch überzogene Investitionsauflagen werden den Unternehmen die Rückzahlungen, die zur Kostenbegrenzung und damit zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich sind, umgehend und zu einem großen bis überwiegenden Teil wieder entzogen.
Ein weiterer Aspekt betrifft die Energiekosten und den Energieverbrauch. Energiekosten stellen einen wesentlichen Bestandteil der Betriebskosten der Mitgliedsunternehmen im VIK dar. Um auf den internationalen Märkten konkurrenzfähig zu bleiben, reduzieren diese seit Jahrzehnten ihren Energieverbrauch durch umfangreiche Effizienzmaßnahmen. Die Regelungen sollten daher unter keinen Umständen die Amortisationszeiten für die Investitionen vorschreiben. Wenn ein Unternehmen den Umstieg auf einen CO2-armen Produktionsprozess plant und die bestehende Produktionstechnologie in Zukunft nicht weiterverwendet, steigt bei längeren Amortisationszeiten die Gefahr, dass Investitionen zur inkrementellen Verbesserung dieser bestehenden Technologie zu sogenannten „Stranded Assets“ werden.
Krisenbewältigung und Klimaziele verlangen strategische Weichenstellungen, die zukünftige Produktportfolios beeinflussen. Unflexible Vorgaben zur Energieeffizienz tragen dem nicht ausreichend Rechnung und verursachen zusätzliche Belastungen: Aufwändige Berechnungsvorschriften binden personelle und finanzielle Ressourcen, die bei den großen Transformationsaufgaben fehlen. Sie führen bei regelgerechter Anwendung bestehender Managementsysteme nicht zur Identifizierung und Durchführung zusätzlicher Maßnahmen.
Viele Unternehmen empfinden die ökologischen Gegenleistungen deswegen als bürokratischen Mehraufwand für Unternehmen, weil besonders Maßnahmen, die bereits im Rahmen von EMAS geprüft wurden, für jeden Tatbestand separat erneut geprüft werden müssen. Die separaten Prüfungen führen zu zusätzlichen Kosten für die Verifizierung und belasten somit die Unternehmen auch finanziell neben den ohnehin hohen Energie- und Investitionskosten für nachhaltige Projekte. Weiterhin zeigte sich im letzten Jahr, dass für die Verifizierung der ökologischen Gegenleistungen im BEHG deutliche Engpässe bei den Prüfunternehmen auftraten.
Zudem möchten wir auf den weiterhin bestehenden Mangel an Zertifizierern hinweisen. Der TÜV Süd bietet beispielsweise weiterhin keine Überprüfung der ökologischen Gegenleistungen an, was zur Benachteiligung z.B. bei der BECV führt, da fremdzertifizierte Systeme detaillierter geprüft werden, was wiederum zu höheren Kosten führt. Zwar lässt die DEHSt erstmalig Erleichterungen zu, als Erfahrung aus der diesjährigen Praxis führen diese aber nicht zu einer Reduktion der Auditzeit, da es den einzelnen Prüfern obliegt, die Vereinfachungen umzusetzen.
Seniorreferentin für Klimapolitik & Koordinatorin für EU-Energie- und Klimapolitik.