23.05.2025
Stellungnahme

VIK-Stellungnahme zum Festlegungsverfahren zur Abschmelzung der Entgelte für dezentrale Erzeugung in den Jahren 2026 bis 2028

[GBK-25-02-1#1]

Das Vorhaben der Bundesnetzagentur, die vermiedenen Netzentgelte schrittweise ab 2026 bis 2028 entgegen der geltenden Regelungen nach § 18 StromNEV abzusenken, lehnt der VIK ab und spricht sich für eine Beibehaltung der bisherigen Regeln nach § 18 StromNEV aus. Die Gründe dafür liegen einerseits im gewählten Zeitpunkt, der einer umfassenden Reform der Allgemeinen Netzentgeltsystematik vorgreift (siehe Punkt 1). Andererseits stellt die Änderung bereits getroffener Vereinbarungen ungerechtfertigte Eingriffe in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen und den Investitionsschutz dar (siehe Punkt 2). Hinzu kommt, dass die von der BNetzA vorgebrachten energiewirtschaftlichen Gründe aus Sicht des VIK nicht haltbar sind (siehe Punkt 3).

  1. Zeitpunkt der Reform
    Der Versuch, Einzelaspekte der Netzentgeltsystematik vor dem Inkrafttreten einer neuen Netzentgeltsystematik im Jahr 2029 isoliert zu betrachten und zu lösen, wird vom VIK kritisch gesehen. Aus Sicht des VIK ergibt es keinen Sinn, zuerst an einzelnen Stellschrauben der Netzentgeltsystematik zu drehen, während parallel an einer Reform des Gesamtsystems gearbeitet wird. Dies gilt sowohl zur Diskussion zum Wert von dezentraler konventioneller Einspeisung nach § 18 StromNEV und der Frage, wie das Netz zukünftig entlastet werden kann (Stichwort „bi-direktionale Kostenwälzung“) als auch zu den Sondernetzentgelten nach § 19 Abs. 2 StromNEV. Aufgrund der engen sachlichen Zusammenhänge sollte eine integrierte Diskussion im Rahmen des Prozesses „AgNES“ (Aktenzeichen GBK-25-01-1#3) stattfinden. Auch sollte nicht einer Diskussion um die Einführung eines Kapazitätsmarktes vorgegriffen werden.
  2. Wirtschaftlichkeit und Investitionsschutz
    Die von der BNetzA vorgesehene Abschmelzung der Entgelte für dezentrale Erzeugung betrifft Bestands- und Neuanlagen und somit Unternehmen, die in den letzten Jahren in neue GuD / KWK Anlagen investiert haben, um durch den Brennstoffswitch von Kohle auf Erdgas die CO2-Emissionen erheblich zu reduzieren und somit zur Erreichung der Klimaziele in Deutschland beizutragen. Die Vergütung für dezentrale Einspeisung gem. §18 StromNEV ist für diesen Anlagen ein nicht unerheblicher Beitrag für die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen. Die geplante Absenkung der vermiedenen Netzentgelte greift somit massiv nachträglich in getätigte Investitionsentscheidungen und damit in die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen ein. Dies kann zur Stilllegung dieser Anlagen führen.
    Des Weiteren wurde 2017 ein Kompromiss zu vermiedenen Netzentgelten gefunden. Eine verlässliche Energiepolitik, die angesichts der enormen Herausforderungen der Energiewende unabdingbar ist, sollte einmal gefundene Kompromisse nicht einseitig aufkündigen. Es ist daher unverständlich und fachlich nicht nachvollziehbar, dass der durch die Auszahlung vermiedener Netzentgelte ausgelöste Anreiz zur Lasterhöhung und Leistungsmaximierung in Zeiten von Netzengpässen und damit der netzentlastende Effekt von industriellen KWK-Anlagen, abgeschwächt werden soll.
    Die geplante Abschmelzung der Entgelte für dezentrale Erzeugung steht im starken Gegensatz zu den politischen Forderungen im Koalitionsvertrag, die darauf abzielen, die energieintensive Industrie zu entlasten und die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Ein Wegfall der dezentralen Einspeisevergütung würde zusätzliche signifikante Belastungen für Industrieunternehmen bedeuten, die eigene KWK-Anlagen zur Sicherung der Prozessdampfversorgung betreiben.
  3. Energiewirtschaftliche Perspektive
    Für das deutsche Energiesystem, das zunehmend auf volatile PV- und Windstromerzeugung setzt, ist es von größter Bedeutung, ausreichend gesicherte Leistung zur Verfügung zu haben. Insbesondere durch den festgelegten Kohleausstieg und die noch immer fehlende Kraftwerksstrategie wächst die Bedeutung von KWK-Anlagen im Hinblick auf Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz der Energiewende. Ein Wegfall der dezentralen Einspeisevergütung gefährdet diese Aspekte, denn dezentrale Einspeisung trägt zur Stabilität und Sicherheit des Stromnetzes bei. Der Wegfall der dezentralen Einspeisevergütung droht daher, die Versorgungssicherheit zu gefährden, insbesondere in Zeiten hoher Nachfrage und/oder bei Mangel von PV und Windstrom.
    Zudem würde eine durch den Wegfall der Entgelte für dezentrale Einspeisung induzierte Reduzierung industrieller KWK-Kapazitäten dringend benötigtes Flexibilitätspotenzial verringern, das in der Energieversorgung von Industriestandorten in kurz- bis mittelfristiger Perspektive insbesondere durch Brennstoffswitch zwischen konventioneller KWK und strombasierter Wärmebereitstellung (Elektrodenkessel, Großwärmepumpen) bereitgestellt werden kann.
    Der VIK sieht die Aussage, dass Netzentgelte durch dezentrale Einspeisungen allenfalls vermeintlich vermieden werden, als kritisch an und weist diese zurück. Die eingespeiste elektrische Arbeit und die Vermeidungsleistung der Differenz aus zeitgleicher Jahreshöchstlast aller Entnahmen und der maximalen Bezugslast aus der vorgelagerten Netzebene reduzieren die Netzentgelte aus der jeweils vorgelagerten Netzebene und werden über dem § 18 StromNEV systemimmanent berücksichtigt. Die netzdienlichen Auswirkungen der dezentralen Einspeisung, die ein Entgelt nach § 18 StromNEV rechtfertigen, sind von höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis heute anerkannt (vgl. nur Beschlüsse des BGH vom 20.06.2017 EnVR 40/16, vom 14.11.2017 EnVR 41/16). Dies gilt insbesondere für lastnahe Erzeugung steuerbarer Anlagen.
    Es muss zwischen „Netzentgelten“ und „Netzkosten“ unterschieden werden. Es mag im Einzelfall sein, dass die Summe aller Zahlungen dezentraler Einspeisungen die Netzkosten insgesamt nicht in dem gleichen Maße reduzieren. Gleichwohl ist das Netzentgeltsystem auf eine Verursachungsgerechtigkeit ausgelegt (u.a. §16 StromNEV) und hier reduzieren dezentrale Einspeisungen wohl unbestritten die von Netz-/Umspannebene zur jeweils nächsten Netz-/Umspannebene gewälzten Netzkosten. Aufgrund des Einfrierens der Berechnungsgrundlage auf dem Niveau von 2016 bei gleichzeitig gestiegenen Netzentgelten kommt diese Reduktion zu einem großen Teil bereits heute den Netznutzern der Netzebene, in die eingespeist wird, zugute. Insofern ist es sach- und verursachungsgerecht, dass die Vorteile der Netzentgeltreduktion in der jeweiligen Netz-/Umspannebene in angemessener Weise auch den Betreibern dezentraler Einspeisungen zugutekommen.
    Dezentrale Einspeiser, die keine vermiedenen Netzentgelte mehr erhalten, die bisher in der Erzeugungskostenkalkulation berücksichtigt wurden, haben im Vergleich zu Großkraftwerken schlicht höhere Erzeugungskosten, die an den Markt bzw. den Verbraucher weitergegeben werden. Damit würden Kosten von Netzentgelten in den Marktpreis verlagert werden, wenn die BNetzA an Ihrem Vorhaben der Abschmelzung der Entgelte für dezentrale Erzeugung festhält. Sollte es zu der politisch angekündigten Dämpfung der Netzentgelte aus Steuermitteln kommen, würde mit einer Verschiebung der Kosten von Netzentgelten in den Marktpreis die von der BNetzA intendierte Entlastung der Netznutzer – insbesondere Haushalts- und Gewerbekunden – nicht erreicht.

Die BNetzA argumentiert, dass erhebliche Zeiträume bei der Einspeisung konventioneller Anlagen verbleiben, in denen die Anlagen zur dezentralen Erzeugung im Zuge von Revisionen, ungeplanten Ausfällen oder bei negativen Preisen im Strommarkt (bei denen eine Einspeisung damit unwirtschaftlich wird), ihren Betrieb einstellen. Für diesen Zeitraum muss zwingend ein Netzausbau erfolgen, um die Versorgungssicherheit zu garantieren. Dadurch hätte die Auszahlung der vermiedenen Netzentgelte für dezentrale konventionelle Erzeugungsanlagen und somit der Unterscheidung zwischen der durch § 120 Abs. 3 S. 1 EnWG von Anwendungsbereich ausgenommenen volatilen Erzeugung keinerlei Rechtfertigung mehr.

Der VIK begegnet diesen Argumenten wie folgt:

  1. Revisionen: Turnusmäßige und geplante Revisionen werden nicht in Zeiträumen durchgeführt, in denen der Stromverbrauch am höchsten ist. Somit tragen Revision nicht zum oben beschriebenen und von der BNetzA angenommenen Effekt bei.
  2. Kraftwerksausfall: Bei ungeplanten Ausfällen einer dezentralen konventionellen Erzeugungsanlage wird weniger Dampf produziert, wodurch die Produktion gedrosselt wird und somit auch weniger Strombedarf besteht. Der Effekt amortisiert sich dann zum größten Teil. D.h. die ausgebliebene Stromeinspeisung wird durch den ebenfalls reduzierten Strombedarf ggü. der vorgelagerten Netzebene zum größten Teil wieder ausgeglichen.
  3. Negative Preise: Das Netz wird bei negativen Preisen top-down nicht so stark belastet. Die ausbleibende Stromproduktion dezentraler konventioneller Erzeugungsanlagen bei negativen Preisen hat somit keine Relevanz für den mit der Auszahlung der vermiedenen Netzentgelte verbundenen netzentlastenden Effekt.

Dezentrale Erzeugung ist insbesondere in den Wintermonaten wichtig: Die meisten Einsatzzeitpunkte dezentraler konventioneller Erzeugung finden in den Wintermonaten in den typischen Hochlastzeitfenstern statt (Morgen- und Abendspitze). Es handelt sich dabei um genau die Engpasssituation, in denen die Anreize zum Hochfahren der Anlagen durch vermiedene Netzentgelte bestehen sollten, um helfen zu können, die Engpasssituationen zu kurieren. Die vermiedenen Netzentgelte bieten somit die notwendigen Anreize, dezentrale konventionelle Erzeugung für solche Situationen bereitzuhalten und dann hochzufahren.

Marvin Dalheimer
Ansprechpartner

Marvin Dalheimer

Fachbereichsleiter Energiewirtschaft und Regulierung