Allgemeine Bewertung
Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. (VIK) begrüßt ausdrücklich die vorliegenden Referentenentwürfe zur Ratifizierung der Änderung von Artikel 6 des Londoner Protokolls (LP) sowie zur Anpassung des Hohe-See-Einbringungsgesetzes (HSEG). Mit diesen Schritten werden die völkerrechtlichen und nationalen Voraussetzungen geschaffen, um CO₂-Ströme aus industriellen Prozessen in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und auf dem Festlandsockel der Nordsee rechtssicher speichern zu können sowie den Export in andere Staaten mit geeigneten Speicherkapazitäten zu ermöglichen.
Die Verabschiedung dieser Gesetze steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der bereits im Kabinett beschlossenen Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG). Erst das Zusammenspiel dieser Rechtsakte eröffnet der energieintensiven Industrie eine realistische Perspektive, ihre schwer vermeidbaren Emissionen durch CCS/CCU-Technologien zu mindern und dafür auf Speicher im In- und Ausland zurückzugreifen.
Bedeutung für die energieintensive Industrie
Für die VIK-Mitgliedsunternehmen, die zusammen einen erheblichen Teil der industriellen Treibhausgasemissionen in Deutschland verantworten, ist die Schaffung eines funktionsfähigen Rechtsrahmens für Kohlenstoffmanagement von zentraler Bedeutung.
- Unzureichende nationale Kapazitäten: Es ist absehbar, dass die geologisch nutzbaren Speicherpotenziale in Deutschland allein nicht ausreichen werden, um den zukünftigen industriellen Bedarf zu decken. Deshalb muss die Option des Exports in andere Mitgliedstaaten der EU oder in Partnerstaaten mit geeigneten Offshore-Speichern rechtlich möglich und praktisch umsetzbar sein.
- Planungssicherheit für Investitionen:
Unternehmen müssen ihre Transformationspfade frühzeitig festlegen. Ohne eine rechtssichere Exportmöglichkeit droht ein Investitionsstopp oder die Verlagerung von Projekten ins Ausland.
- Internationale Wettbewerbsfähigkeit:
Staaten wie Norwegen, Dänemark oder die Niederlande verfügen bereits über konkrete CO₂-Speicherprojekte. Damit Deutschland den Anschluss nicht verliert, ist die schnelle Ratifizierung des Londoner Protokolls oder zumindest national seine vorläufige Anwendbarkeit zwingend notwendig.
Positiv hervorzuhebende Elemente der Entwürfe
- Ausnahme für CO₂-Ströme im HSEG: Mit der Ergänzung in § 4 Satz 2 Nummer 4 HSEG (RefE) wird das Einbrigungsverbot aufgehoben und die Speicherung von CO₂ in der AWZ ausdrücklich zugelassen. § 5 Absatz 5 HSEG (RefE) stellt die Einbringung erlaubnisfrei. Dies beseitigt bestehende Rechtsunsicherheiten und Umsetzungshürden.
- Neues Exportregime (§ 6a HSEG-neu): Mit der Einführung eines Exportverbots für Abfälle und gleichzeitiger Ausnahme für CO₂-Ströme zur Speicherung im Ausland wird die Änderung des Artikels 6 LP konsequent in nationales Recht umgesetzt. Damit erhalten Unternehmen erstmals eine klare Rechtsgrundlage für grenzüberschreitende Transport- und Speicherprojekte.
- Kohärenz mit KSpTG: Die Referentenentwürfe sind so angelegt, dass sie auf den Regelungsrahmen des künftigen KSpTG verweisen und Doppelregulierungen vermeiden.
- Klarheit bei weiteren Stoffen: Die Erweiterung des Maßnahmenkatalogs im Bereich marines Geoengineering sowie die Klarstellung beim Einsatz von Dispergatoren schaffen einen konsistenten Rechtsrahmen.
Ergänzende Hinweise aus Sicht des VIK
- Zeitnahe Verabschiedung: Die Entwürfe müssen parallel zum bereits beschlossenen KSpTG-Entwurf noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden, um eine zeitliche Lücke zwischen nationalem Speicherrecht und völkerrechtlicher Absicherung zu vermeiden.
- Exportfähigkeit als Standortfaktor: Für viele Industrieunternehmen ist die Option zur Nutzung von Offshore-Speichern im europäischen Ausland eine Grundvoraussetzung für Investitionsentscheidungen. Hierbei müssen Genehmigungsverfahren praxistauglich ausgestaltet werden, damit Exportprojekte nicht durch bürokratische Verzögerungen blockiert werden.
- Internationale Kooperationen: Deutschland sollte die Gesetzgebung mit bilateralen Vereinbarungen flankieren, um konkrete Speicherpartnerschaften (z. B. mit Norwegen, Dänemark oder den Niederlanden) abzusichern.
- Vermeidung von Mehrbelastungen: Bei der Umsetzung in der Praxis ist darauf zu achten, dass keine über die Vorgaben des Londoner Protokolls hinausgehenden zusätzlichen Auflagen entstehen („Gold-Plating“). Rechtssicherheit und Investitionsklarheit müssen Vorrang haben.
Fazit
Die Ratifizierung der Änderungen des Londoner Protokolls sowie die Anpassung des Hohe-See-Einbringungsgesetzes sind unverzichtbare Bausteine für die erfolgreiche Umsetzung des KSpTG. Sie bilden die völkerrechtliche und nationale Grundlage für Offshore-Speicherungen und den Export von CO₂.
Der VIK begrüßt die vorliegenden Referentenentwürfe daher ausdrücklich und appelliert an die Bundesregierung und den Gesetzgeber, diese noch in der laufenden Legislaturperiode zügig zu verabschieden. Nur so können energieintensive Unternehmen ihre Dekarbonisierungsstrategien verlässlich planen, Investitionen in Milliardenhöhe auslösen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland sichern.